Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Kurzarbeitergeld wegen Corona-bedingter Verhinderung der Eröffnung eines Gastronomiebetriebs
Orientierungssatz
1. Voraussetzung des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld ist nach §§ 95, 96 SGB 3 das Vorliegen eines erheblichen, nicht vermeidbaren Arbeitsausfalls.
2. Der Arbeitsausfall eines Restaurantbesitzers aufgrund der Covid 19 - Pandemie beruht auf einem unabweisbaren Ereignis, wenn es hierdurch zu einer behördlichen Untersagung von Gastronomiebetrieben gekommen ist. Bei nachweisbaren Vorbereitungshandlungen für einen zu eröffnenden Gastronomiebetrieb ist für den Beginn des Kurzarbeitergeldes auf den Zeitpunkt der geplanten Eröffnung abzustellen.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 05.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2021 dem Kläger Kurzarbeitergeld dem Grunde nach ab November 2020 zu bewilligen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Kurzarbeitergeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) für die Monate November 2020 bis Januar 2021.
Der Kläger betreibt ein italienisches Restaurant. Nach Angaben des Klägers plante der Kläger seit Anfang 2020 die Eröffnung des Restaurants. Das Restaurant sollte unter neuem Namen eröffnet werden. Pandemiebedingt konnte das Restaurant erst im Oktober 2020 eröffnen. Konkrete Vorbereitungshandlungen nahm der Kläger ab ca. Mitte August 2020 auf, in dem u.a. unter anderem Arbeitsverträge mit Personal, beginnend ab 25. Oktober 2020 abschloss. Wesentliche bauliche Maßnahmen und Anmeldungen bei den Behörden ließ der Kläger im Oktober 2020 und November 2020 vornehmen. Der Pachtvertrag wurde am 30. September 2020 unterschrieben.
Der Kläger meldete wegen des "Lockdown light" ab dem 2. November 2020 Kurzarbeit an. Dieser "Lockdown light" wurde am 28. Oktober 2020 auf der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen, in das Landesrecht des Landes Nordrhein-Westfalen umgesetzt und beruhte unter anderem auf den Empfehlungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina vom 15. Oktober 2020.
Die Anzeige über Arbeitsausfall vom 10. November 2020 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2021 ab. Die Beklagte geht dabei davon aus, dass der Arbeitsausfall wegen der andauernden Covid19-Pandemie vermeidbar gewesen sei.
Der Kläger trägt vor, dass der Arbeitsausfall nicht vermeidbar gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Planung sei ein Lockdown unwahrscheinlich / ausgeschlossen gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 5. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Kurzarbeitergeld dem Grunde nach ab November 2020 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass eine Betriebsgründung in der Pandemie dazu führe, dass ein Arbeitsausfall - wie hier - vermeidbar sei.
Das Gericht hat am 10. August 2022 einen Verhandlungstermin durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 5. Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Arbeitnehmer des Klägers haben einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld; § 54 Abs. 4 SGG.
Die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld liegen vor. Die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 95 Satz 1 SGB III sind erfüllt.
Es liegt ein erheblicher Arbeitsausfall vor; § 95 Satz 1 Nr. 1 SGB III, § 96 SGB III. Dieser Arbeitsausfall war auch nicht vermeidbar; § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III, § 96 Abs. 4 SGB III. Ein Arbeitsausfall ist nicht vermeidbar, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Der Arbeitsausfall beruht auf einem unabwendbaren Ereignis, da es durch die Covid19-Pandemie zur einer behördlichen Untersagung von Gastronomiebetrieben ab November 2020 gekommen ist. Unstreitig konnte der Kläger dieses Ereignis nicht beeinflussen, allerdings konnte - was zwischen den Beteiligten streitig ist - dieses Ereignis auch nicht vorher gesehen werden. Zum Zeitpunkt der Planung und Eröffnung des Gastronomiebetriebs mit konkreten Planungen ab August 2020 konnte der Kläger davon ausgehen, dass es in absehbarer Zeit zu keinen weiteren, erheblichen Einschränkungen bzw. zu einer Untersagung kommen könnte. Insoweit ist auf den Zeitpunkt der Planung und der Eröffnung abzustellen. Nach der Einschätzung des Bundestagsabgeordneten und Mediziners und über Parteien hinweg angesehenen Experten Prof. Dr. Karl Lauterbach, war selbst im September 2020 nicht von einem erneuten Lockdown auszugehen. Die im August 2020 und September 2020...