Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Bewilligung einer Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz - posttraumatische Belastungsstörung
Orientierungssatz
1. Wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erleidet, erhält nach § 1 OEG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG.
2. Zur Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung i. S. der ICD-10 muss der Betroffene eine Situation erleben, beobachten oder mit einem Ereignis konfrontiert sein, welches den tatsächlichen oder den drohenden Tod oder ernsthafte Verletzungen oder eine Gefahr der körperlichen Versehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhaltet.
3. Liegen die wesentlichen Ursachen einer rezidivierenden Depression in weit in die Kindheit zurückliegenden Belastungsfaktoren, so fehlt es an der wesentlichen Ursache dafür, dass während der Ehe erlebte Gewalt die geltend gemachte psychische Erkrankung hervorgerufen hat.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) für Ereignisse, die die Klägerin als Kind im Zeitraum von 1953 bis 1973 und wäh-rend ihrer zweiten Ehe in der Zeit von 1983 bis 1987 erlebt hat.
Die am 00.00.1952 geborene Klägerin beantragte im November 2007 die Gewährung von Versorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sie leide unter Angstzuständen, Panikattacken, Albträumen und Depressionen. Als Ursache für diese Erkrankung gab die Klägerin Gewalterfahrungen in ihrer Kind- und Jugendzeit zwischen 1953 und 1973 an. Ebenso sei ihre zweite Ehe von 1983 bis 1987 gewaltbetont gewesen, sodass sie annimmt, dadurch traumatisiert worden zu sein.
In einem Rentenverfahren erstattete unter den 30.01.2007 H ein psychiatrisches Fachgutachten. Dort wird der Klägerin eine "depressive Entwicklung mit Somatisierungs-störung bei dependenter Persönlichkeitsstörung" beschieden. Seit 2000 sei sie nicht mehr in der Lage, gewinnbringend am Erwerbsleben teilzunehmen. Bereits in einem Gutachten vom 11.11.2002 von I wurde bei der Klägerin ein "Borderline-Syndrom" diagnostiziert.
Mit Bescheid vom 17.04.2008 lehnte der Beklagte die Gewährung von Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz ab. Die von der Klägerin geschilderten Tathergänge sei-en nicht bewiesen. Die Klägerin habe ausdrücklich darum gebeten ihre Mutter und auch ihren vormaligen Ehemann nicht zu den Geschehnissen zu befragen.
Der Widerspruch der Klägerin gegen diese Entscheidung wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2008 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 13.06.2008 erhobene Klage der Klägerin, mit der sie weiterhin Beschädigtenversorgung nach dem Opfe-rentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) begehrt. Ihr früherer Ehemann habe schon seine erste Frau geschlagen. So sei auch ihre eheliche Beziehung gewaltbetont gewesen. Hierin läge der wesentliche Grund für ihre jet-zigen psychiatrischen Erkrankungen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.2008 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2008 zu verurteilen, ihr wegen erlittener Gewalttaten Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz insbesondere in Form einer Versorgungsrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 30 zu Gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung zutreffend und rechtmäßig gewesen ist. Der wesentliche Teil der Ursache für die heute bei ihr bestehen-den Erkrankungen sei weder die Gewaltbeziehung von 1983 bis 1987 gewesen, noch die als gewalttätig erlebte Kind- und Jugendzeit von 1953 bis 1973.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Frau Q-U. Die Psychiaterin und Psychotherapeutin erstatte ihr Gutachten unter dem 29.07.2009. Dort wurden folgende Diagnosen gestellt:
1. rezidivierende Depression mit somatischen Symptomen (ICD-10 F 33.1) 2. Angsterkrankung mit Panikanfällen, Verlustängsten und verstärktem Sicherungsbe-dürfnis (ICD-10 F 41.3) 3. kombinierte Persönlichkeitsstörung mit abhängigen und narzisstischen Anteilen (ICD-10 F 60.8) 4.
Die durch die Diagnosen beschriebene Erkrankung habe sich weit in der Kindheit zurück-liegend entwickelt. Heute vorherrschend seien Verlustängste in Bezug auf den Sohn. Ob-wohl eine Reihe von Traumatisierungen im Leben der Klägerin stattgefunden hätten, läge eine posttraumatische Belastungsstörung heute sicher nicht vor.
Die Depression und die Angststörung seien als reaktive Erkrankungen zu verstehen, die auf der Gesamtheit der biographischen Belastungsfaktoren in der Kindheit und Jugend ba-sierten. Darüber hinaus könnten für die kombinierte Persön...