Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Sozialhilfeempfängers zur Vorlage von Kontoauszügen
Orientierungssatz
1. Nach § 19 Abs. 1 SGB 12 ist Personen Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe stellt keine eigenständige Ausschlussnorm dar. Maßgeblich sind allein die Regelungen im 11. Kapitel des SGB 12. Hierzu hat der Antragsteller u. a. sämtliche Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen.
2. Dabei ist es dem Hilfeempfänger erlaubt, in den Kontoauszügen Zahlungsempfänger und Verwendungszwecke zu schwärzen. Anderenfalls würde in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen, und zwar sowohl in das des Hilfeempfängers als auch in das des Dritten.
3. Die Regelungen zu den Mindestobliegenheiten des Hilfeempfängers in den §§ 60 ff. SGB 1 bedürfen einer verfassungskonformen Auslegung anhand des Grundsatzes der Erforderlichkeit. Im Sinn einer Relation zwischen Datenverarbeitungsvorgang und Sachaufgabe sind in obigem Sinn geschwärzte Kontoauszüge zur Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Leistungsempfängers ausreichend.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird dem Grunde nach verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ab dem 01.06.2015 vorläufig, längstens jedoch bis zum 30.11.2015 zu zahlen.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der am 19.06.19xx geborene Antragsteller leidet unter einer Anpassungsstörung bei emotional unausgereifter sensitiv narzisstischer Persönlichkeitsstörung. Er bezog in der Vergangenheit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) von der Antragsgegnerin. Zuletzt wurden dem Antragsteller mit Bescheid vom 16.01.2015 Leistungen für den Zeitraum Februar bis Juli 2015 bewilligt. Neben dem Regelsatz wurden dabei, abweichend von den im Bescheid als tatsächlich anfallende Kosten der Unterkunft ausgewiesenen 350,00 EUR, lediglich angemessene Kosten der Unterkunft i. H. v. 217,50 EUR berücksichtigt. Weiterhin wurden von der Antragsgegnerin Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Nachdem eine sozialmedizinische Untersuchung des Antragstellers vom 18.11.2014 ergeben hatte, dass der Antragsteller voraussichtlich für länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer, täglich weniger als drei Stunden leistungsfähig sei, hob die Antragsgegnerin den Bewilligungsbescheid vom 16.01.2015 mit Bescheid vom 28.01.2015 für den Zeitraum ab März 2015 auf und wies den Antragsteller auf die Möglichkeit einer Antragstellung auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII hin.
Am 26.02.2015 ging ein entsprechender Antrag des Antragstellers auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bei der Antragsgegnerin ein. Dem Antrag beigefügt waren Kontoauszüge des Girokontos des Antragstellers bei der S. B. W. eG mit der Kto.-Nr. xxxxxxx für den Zeitraum vom 22.12.2014 bis zum 15.01.2015. Dabei hatte der Antragsteller bei mehreren Buchungen den Verwendungszweck und die Zahlungsempfänger geschwärzt. Von der Schwärzung ausgenommen hatte er neben dem jeweils verbuchten Betrag das Buchungsdatum sowie die Zahlungsweise, sodass erkennbar war, ob es sich um eine Überweisung oder eine Lastschrift handelte. Bei den dergestalt geschwärzten Buchungen handelte es sich um 15 Soll-Buchungen von Beträgen in unterschiedlicher Höhe, in einer Bandbreite von 2,50 EUR bis 97,10 EUR sowie um eine Haben-Buchung i. H. v. 59,00 EUR. Vollständig ungeschwärzt waren u.a. zwei Buchungen zugunsten der "OIL Tankstellen GmbH Co. KG" vom 12.01.2015 sowie vom 13.01.2015 i. H. v. 26,53 EUR bzw. 20,18 EUR. Weiterhin hatte der Antragsteller dem Antrag eine Kopie eines Mietvertrags vom 01.10.2001 beigefügt, ausweislich dessen er von seinen Eltern eine 55 m² große Wohnung zu einem monatlichen Mietzins i. H. v. 350,00 EUR sowie einer monatlichen Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von "ca. 90 EUR" angemietet hatte.
Mit Schreiben vom 26.02.2015 bestätigte die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Eingang des Antrags und führte an, dass bis zu einer Feststellung einer Erwerbsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger lediglich eine Leistungsgewährung nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Betracht komme. Weiterhin forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, ungeschwärzte und lückenlose Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen sowie "ggf. Kfz-Unterlagen, da laut Kontobeleg Zahlungen an Tankstellen (erfolgt seien)".
Mit Schreiben vom 02.03.2015 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin bezüglich der Anfrage von ungeschwärzten und lückenlosen Kontoauszügen der letzten drei Monate mit, dass er lediglich ei...