Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung bei Diabetes und chronischer Bauchspeicheldrüsenentzündung
Orientierungssatz
1. Eine Diabeteserkrankung, die eine Ernährung mit Vollkost erfordert, begründet im Regelfall keinen Anspruch auf Zuerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende.
2. Auch bei einer chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) besteht kein Anspruch auf Zuerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Kosten sind nicht zu erstatten.
3.Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen.
Der 52ährige alleinlebende Kläger steht seit September 2007 fortlaufend im Leistungsbezug bei der Beklagten.
Er ist schwerbehindert und hat einen GdB von 50. Unter dem 13.4.2010 wog er 70 kg bei einer Körpergröße von 176,5 cm.
Der Kläger leidet unter einen chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis), einer Zuckerstoffwechselstörung (Diabetes mellitus) und einer diabetesbedingten Sensibilitätsstörung der Nerven in den Gliedmaßen (Polyneuropathie).
Am 10.7.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten erstmalig einen Kostenausgleich für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf infolge Diabetes mellitus Typ I.
Die Beklagte gewährte daraufhin einen ernährungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von EUR 51,13 bis einschließlich Dezember 2008.
Unter dem 19.11.2008 und 19.12.2008 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfes. Zur Begründung fügte er ein Attest des praktischen Arztes Dr. D. vom 17.11.2008 bzw. 10.12.2008 bei, das ihm bis auf weiteres die Notwendigkeit eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes infolge Diabetes mellitus Typ I bescheinigte.
Mit Bescheid vom 19.12.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung des Mehrbedarfes ab. Nach den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereines für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 sei wissenschaftlich belegt, dass bei Diabetes keine Mehrkosten gegenüber der normalen Ernährung bestünden.
Gegen die ablehnende Entscheidung vom 19.12.2008 legte der Kläger unter dem 10.1.2009 Widerspruch ein. Die Beklagte könne nicht alle Diabetes-Fälle pauschal ablehnen. In seinem Falle handle es sich um einen Diabetes infolge einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung und beispielsweise nicht um einen Altersdiabetes. Er habe dadurch Mehrkosten, die nicht vom Regelsatz gedeckt seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Zur Dokumentation hat er das Attest des Facharztes für Innere Medizin mit Schwerpunkt Diabetologie - Dr. L. - vom 26.2.2009 zu den Akten gereicht (Bl. 5 GA), das ihm bescheinigt, eine intensive Insulintherapie zu benötigen und unter Diabeteskomplikationen (der peripheren Polyneuropathie s.o.) zu leiden.
Ein ebenfalls zu den Akten gereichtes Schreiben der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) aus April 2009 (Bl. 24 f.) belege zudem, dass sein Langzeitblutzuckerwert nicht im Normalbereich liege. Nach den Ernährungsempfehlungen der DAK müsse er 3 Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen, Vollkornprodukte, sowie fettarme Fleisch- und Wurstwaren, sowie Fisch. Diese Art von Ernährung und die für ihn notwendigen Mengen verursachten Mehrkosten. Er habe in den letzten 5 Monaten stark abgenommen. Der Kläger hat ergänzend einen Ernährungsplan für die Zeit vom 30.3.2009 bis 5.4.2009 (Bl. 16 GA) und einen weiteren für die Zeit vom 6.9.2009 bis 19.9.2009 zu den Akten gereicht, auf den jeweils ergänzend Bezug genommen wird. Die Empfehlungen des Deutschen Vereines seien keine ausreichende Grundlage für eine Leistungsablehnung, vielmehr sei eine Einzelfallentscheidung nötig. Bei ihm läge die Besonderheit vor, dass er seine Blutzuckerwerte achtfach am Tag kontrollieren müsse und sein Diabetes weder eindeutig Typ I noch Typ II zuzuordnen sei.
Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 19.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.1.2009 bis 30.6.2009 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise, die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auch im Klageverfahren auf ihre bereits im Vorverfahren geäußerte Rechtsansicht. Ergänzend trägt sie vor, das Attest von Dr. L. bescheinige nur eine kostenintensive Insulintherapie, jedoch keine ernährungsbedingten Mehrkosten und setze sich auch nicht mit den Empfehlungen des Deutschen Vereines auseinander. In der vom Kläger selbst angeführten Ernährungsempfehlung der DAK hieße es wörtlich "Eine gesunde Ernährung für Sie als Diabetiker unterscheidet sich nicht mehr von der gesunden Ernährun...