Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anerkennung von Schleimhauterkrankungen, Krebs oder einer Harnwegserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 1301 BKV
Orientierungssatz
1. Berufsbedingte Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege sind nach Nr. 1301 BKV als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn sie durch aromatische Amine verursacht sind.
2. Der Tatbestand der Berufskrankheit Nr. 1301 BKV sieht keinen Begrenzungswert für aromatische Amine vor. Es gibt auch keinen Konsens hinsichtlich einer Mindestexpositionsmenge für die erforderliche Dosis-Wirkungs-Beziehung. Deshalb sind die beruflichen und außerberuflichen Faktoren bei dem Versicherten gegeneinander abzuwägen.
3. Sind die außerberuflichen Einwirkungen um ein Vielfaches höher als die beruflichen, so kann der berufliche Faktor nicht als wesentliche Teilursache und damit die berufliche Tätigkeit nicht als hinreichend wahrscheinliche Verursachung der Erkrankung festgestellt werden.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 der BK-Verordnung (BKV) streitig.
Der 1959 geborene Kläger erlernte von 1976 bis 1978 den Metzgerberuf. Nach dem Wehrdienst arbeitete er von 1980 bis 1981 in einem Sägewerk, danach bis 1982 bei der Firma C. in C-Stadt in der Metallbearbeitung als Maschinenbediener und anschließend bis 1983 als Verkaufsfahrer für D. Nach einer ca. einjährigen Arbeitslosigkeit arbeitete er von 1984 bis 1986 für das Zeitarbeitsunternehmen E. Während dieser Zeit war er für 14 Monate bei der Firma F. in der Gummifertigung und für drei Monate bei der Firma G. im Bereich Recycling von Industriekatalysatoren sowie bei H. als Testfahrer beschäftigt. In den Jahren 1987, 1988 war er als Bauhelfer und Lkw-Fahrer und in den Folgejahren bis 1997 im Werksschutzdienst tätig. Seit 1998 ist der Kläger bei der Firma I. im Postdienst eingesetzt.
Im Oktober 2001 wurde bei dem Kläger ein Harnblasentumor diagnostiziert und von der behandelnden Klinik der Beklagten der Verdacht auf Vorliegen einer BK gemeldet.
Die Firma C. teilte am 19. Dezember 2002 mit, der Kläger sei vom 27. Juli 1981 bis 28. Februar 1982 in der Automobil-Kolbenfertigungsreihe beschäftigt gewesen. Er habe Kolbenrohlinge in eine Bearbeitungsmaschine eingespannt und bearbeitet. Dabei sei er mit wasserlöslichen Bohrölemulsionen in Kontakt gekommen. Die für die Firma C. zuständige Edel- und Unedelmetall-BG teilte hierzu am 16. April 2003 mit, die Firma C. habe von der Firma J. Kühlschmierstoffe bezogen, es sei wahrscheinlich das Produkt „J. AS 220“ eingesetzt worden. Falls Kühlschmierstoffe aromatische Amine enthalten hätten, seien diese ungefährlich, da beim üblichen Umgang aromatische Amine nicht freigesetzt werden könnten (so die Ausführungen in Mehrtens-Perlebach, Vorkommen und Gefahrenquellen für BK-Ziffer 1301).
Die BG-Chemie gab Auskunft über die Beschäftigung des Klägers bei der Firma F. Gummiwarenfabrik GmbH und führte unter dem 15. Juli 2003 aus, der Mitgliedsbetrieb habe seit 1993/1994 seine Produktion eingestellt. Es gäbe keine Ansprechpartner, die Auskunft zu den dortigen Arbeitsplätzen geben könnten. Deshalb sei der Kläger zu den Verhältnissen an seinem Arbeitsplatz befragt worden. Bei der Firma F. seien Gummiteile für die Automobilindustrie, wie z.B. Schläuche und Gummimanschetten, hergestellt worden. Der Kläger habe in einer ca. 70 x 25 x 6 m großen Halle, in der 1 bis 14 Einspritzpressen gestanden hätten, gearbeitet. Er habe den Plastifizierschnecken die Gummimischung, die in Form von 1 bis 1,50 m langen Bändern angeliefert worden sei, von Hand zuführen müssen. Außerdem habe er die fertig vulkanisierten Teile der Form entnommen und auf einen Wagen oder in eine Gitterbox gelegt. Danach habe er die Formhälften mit einem Trennmittel für den nächsten Arbeitstakt eingesprüht. Um welches Trennmittel es sich dabei gehandelt habe, habe der Kläger nicht mehr sagen können. Er habe bei seiner Tätigkeit als Hitzeschutz Baumwollhandschuhe getragen. Eine Absaugung habe es nicht gegeben. Bei der Betrachtung der Exposition des Klägers gegenüber Stoffen, die Blasenkrebs auslösen könnten, müssten Alterungsmittel in Form von Phenyl-1-Naphthylamin bzw. Phenyl-2-Naphthylamin, wie sie in der Gummiindustrie verwendet worden seien, diskutiert werden. Diese enthielten in der Regel 2-Naphthylamin als Verunreinigung, welches im Merkblatt des BMA zur BK-Nr. 1301 als Auslöser für Harnwegskrebs genannt werde. Mangels konkreter Erkenntnisse im Einzelfall wurde die Exposition des Klägers von der BG Chemie auf der Basis eines Rundschreibens der BGChemie „Blasenkrebs durch aromatische Amine in der Gummiindustrie, Hinweise zur Ermittlung der Exposition“ vom 19. Januar 2001 abgeschätzt. Die Tätigkeit des Klägers wurde dem im Rundschreiben definierten Arbeitsbereich 1 zugeordnet, welcher Tätigkeiten an Einspritzpressen einbezieht. Für die 14 Monate nach 1980 wurde ...