Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. unmittelbare und mittelbare Unfallfolge. Ursachenzusammenhang. Theorie der wesentlichen Bedingung. psychische Erkrankung. PTBS. ICD-10. Chronifizierung nach Sk2-Leitlinie. depressive Erkrankung und Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung. räuberische Erpressung
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach ICD-10 und DSM-5, die im Erkrankungsverlauf chronifizierte, als Folge eines Arbeitsunfalls.
2. Zur Anerkennung einer depressiven Erkrankung nach F33.1 G sowie einer Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung nach F62.0 als weitere Unfallfolge.
Tenor
Der Bescheid vom 09.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2014 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte festgestellt hat, dass bei dem Kläger als Unfallfolge eine „vorübergehende Anpassungsstörung nach Banküberfall“ vorliegt und eine „akzentuierte Persönlichkeit mit zwanghaften und depressiven Zügen“ nicht Unfallfolge ist und die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger eine höhere Rente als nach einer MdE von 20 v. H. und über den 30.09.2012 hinaus eine Rente zu gewähren,
und es wird festgestellt, dass eine chronische PTBS (ICD-10: F43.1), vom 12.04.2012 bis 19.04.2015 eine mittelgradige depressive Störung (ICD-10: F33.1) und ab 20.04.2015 eine schwere depressive Episode mit kognitiven und regressiven Symptomen (ICD-10: F32.2) sowie ab 12.04.2012 eine Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD-10: F62.0) gesundheitliche Folgen des Versicherungsfalls vom 03.09.2010 sind und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger vom 12.04.2012 bis 19.04.2015 eine Rente nach einer MdE von 30 v. H. und ab dem 20.04.2015 nach einer MdE von 50 v. H. zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat 4/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung von Unfallfolgen und die Gewährung einer höheren Rente als Dauerrente.
Der Kläger, ausgebildeter Groß- und Außenhandelskaufmann, wurde am 03.09.2010, im Alter von 53 Jahren, bei seiner Tätigkeit als Bankkaufmann (in der Kundenberatung) bei der Kreissparkasse A-Stadt Opfer einer schweren räuberischen Erpressung. Aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Hanau vom 11.04.2013 ergibt sich folgender Sachverhalt/Tatbestand (hierbei hat sich die erkennende Strafkammer, wie in den Entscheidungsgründen Seiten 9 bis 11 dargestellt, explizit den Bekundungen des als Zeugen vernommenen Klägers angeschlossen, weil dieser detailliert und widerspruchsfrei das von ihm erlebte Geschehen bekundet habe, die von ihm berichteten Details und Geschehensabläufe sich zwanglos ineinandergefügt und ein in sich stimmiges und überzeugendes Bild ergeben hätten. Der Kläger sei insbesondere aufgrund seines persönlichen Eindrucks auf die Mitglieder der erkennenden Kammer glaubwürdig gewesen: Als ein Mensch, der – sich seiner Verantwortung als Zeuge bewusst –, seine Aussage gleichermaßen abgewogen wie zurückhaltend dargeboten habe):
„[…] Kurze Zeit später betrat der Angeklagte erneut die Sparkassen-Filiale. Er trug nunmehr einen Schal, welchen er sich vor dem Betreten der Filiale über seinen Mund gezogen hatte. Er war zudem mit einer dunklen Sonnenbrille sowie einem schwarzen Fahrradhelm [..] bekleidet. In einer umgehängten Gürteltasche führte der Angeklagte eine täuschend echt aussehende – ungeladene – Schreckschusspistole des Typs Walther P99 mit sich. […] Er ging nunmehr auf die sich im Schalterbereich befindlichen Mitarbeiter der Sparkassen-Filiale C., D. und A. zu, äußerte diesen gegenüber laut und bestimmt „Überfall. Geld her!“ und zog zur Einschüchterung der Mitarbeiter und um seine Forderung durchzusetzen die mitgeführte Schreckschusspistole aus der Gürteltasche und richtete diese auf den Bauchbereich des Mitarbeiters A. Der Zeuge A. begab sich - beeindruckt von der Bedrohungssituation – in den Kassenbereich und holte von dort Bargeld in einer Gesamthöhe von 62.000 Euro [..]. Währenddessen hielt der Angeklagte mit der noch immer gezogenen Schreckschusspistole die Mitarbeiter C. und D. weiterhin in Schach. Nachdem der Zeuge A. mit dem Bargeld aus dem Kassenbereich zurückgekehrt war, hielt der Angeklagte eine mitgebrachte Plastiktüte auf, in welche der Zeuge A. das Geld – der Angeklagte hielt nunmehr wieder diesen mit gezogener und auf ihn gerichteter Schreckschusspistole in Schach – auf Anweisung des Angeklagten packte. […] Daraufhin verließ der Angeklagte unverzüglich die Sparkassen-Filialen […]. Die Folgen der Tat waren für den Zeugen A. gravierend. Der Zeuge ist seit dem Überfall aufgrund psychischer Probleme erwerbsunfähig und befindet sich seitdem auch durchgängig in psychologischer Behandlung. Er muss zudem aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigungen regelmäßig Medikamente einnehmen. Der Zeuge findet nachts maximal 2 bis 3 Stunden durchgängigen Schla...