Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. EHEC-Infektion. sachlicher Zusammenhang. kontaminierte Nahrungsaufnahme in der Betriebskantine. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. keine besondere Betriebsgefahr: ausgegebene Nahrungsmittel mit bakteriellem Erreger. Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes. keine entsprechende Anwendung: Grundsätze der Beweiserleichterung bei Berufskrankheiten bzw Infektionskrankheiten. EHEC-Erkrankung

 

Orientierungssatz

1. Hat sich eine Arbeitnehmerin durch den Verzehr von Speisen in der Kantine ihres Arbeitgebers mit den EHEC Erregern infiziert, steht sie dabei nicht gem § 8 Abs 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, da es sich hierbei um eine privatnützige Tätigkeit handelt.

2. Das Angebot einer (hier: durch einen Dritten betriebenen) Betriebskantine begründet noch keinen Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der "besonderen Betriebsgefahr" im Hinblick auf die dort ausgegebenen Nahrungsmittel.

3. Mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke können die vom Verordnungsgeber im Zusammenhang mit der Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes mit bestimmten Infektionskrankheiten entwickelten Grundsätze der Beweiserleichterung bei Berufskrankheiten nicht auf den Versicherungsfall eines Arbeitsunfalls entsprechend angewendet werden.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung eine EHEC-Infektion als Arbeitsunfall.

Die 1968 geborene Klägerin ist seit 1998 bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft C. in A-Stadt tätig. Am 30.11.2011 erstellte der Arbeitgeber der Klägerin eine Unfallanzeige, in der er mitteilte, die Klägerin habe sich am 09.05.2011 eine EHEC-Infektion am Arbeitsplatz zugezogen.

Mit Bescheid vom 13.12.2011 lehnte die Beklagte Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass der EHEC-Erkrankung ab. Zur Begründung führte sie aus, es sei unmöglich, im Vollbeweis zu beweisen, wann, wo und wie sich die Klägerin mit den EHEC-Erreger angesteckt habe. Die Tatsache allein, dass sich 25 von 2.500 ihrer Kollegen infiziert hätten, reiche zur Beweisführung nicht aus. Die Übertragung der Erreger erfolge auf vielfältige Art und Weise, überwiegend durch die direkte oder indirekte orale Aufnahme von Fäkalspuren. Der Erreger könne mit der Nahrung, insbesondere mit rohem Fleisch oder Rohmilch aufgenommen werden. Außerdem sei eine Übertragung beim TierMensch-Kontakt möglich (auch Fliegen könnten Vektoren von EHEC darstellen). Eine Infektion könne symptomfrei verlaufen, anderenfalls trete nach einer Inkubationszeit von typischerweise drei bis vier Tagen, vereinzelt aber auch nach zwei bis zu zehn Tagen eine Gastroenteritis (Magen-Darm-Grippe, Brechdurchfall) auf. Sollte die Klägerin in der betriebseigenen Kantine essen gegangen sein und hier die Infektionsquelle zu vermuten sein, sei zu beachten, dass die Nahrungsaufnahme in der Kantine des Unternehmens nicht zur versicherten Tätigkeit zähle. Ob die Klägerin unmittelbar Kontakt mit den infizierten Mitarbeitern des Unternehmens gehabt habe (persönlich durch Begrüßung und/oder Verseuchung durch Sanitärbereich bzw. Türklinken) und sich dadurch angesteckt habe, sei unbewiesen.

Parallel dazu wurde zwischen den Beteiligten wegen der EHEC-Infektion ein BK-Feststellungsverfahren geführt, welches zunächst ruhend gestellt wurde.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten erläutern, sie sei Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin tätig. In dem Unternehmen seien ihr als leitende Angestellte vier Mitarbeiter unterstellt. Sie sei Prokuristin im Bereich „Valuation & Strategy“. Sie berate Unternehmen regelmäßig bei der Vorbereitung und Durchführung von Unternehmenskäufen oder -verkäufen. Im Rahmen solcher Transaktionen seien vielfältige Fragen juristischer, finanzieller und betriebswirtschaftlicher Art zu klären und interdisziplinär abzustimmen. Der Zeitdruck in derlei Projekten sei oft außerordentlich hoch. Zum einen seien zahlreiche Abstimmungen zwischen internen und externen Arbeitsgruppen, wie Rechtsanwälten, Banken oder Abteilungen des Auftraggebers, erforderlich, um die Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen zusammenzuführen und eine Entschlussvorlage für die Geschäftsleitung des Auftraggebers vorzubereiten. Zum anderen solle verhindert werden, dass die Absicht zu einer Unternehmenstransaktion bereits an die Öffentlichkeit gelange, bevor ein Entschluss hierüber abschließend vorbereitet werden könne. Ihre Arbeitsergebnisse würden von den beratenden Rechtsanwälten sowie den beteiligten Banken zugeleitet. Hierbei seien die exogen vorgegebenen Termine unbedingt einzuhalten, damit sich die anschließenden Projektschritte, die bis zum Abschluss einer Transaktion erforderlich seien, nicht verzögern und einen Vertragsabschluss behindern. Würde dies passieren, hätte dies möglicherweise Schadensersatzleistungen für den Arbeitgeber zur Folge. Als leitende Ange...

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