Entscheidungsstichwort (Thema)

Sanktion bei Meldeversäumnis. Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Absenkungsbetrags. keine nachträgliche Heilung nach § 41 SGB X im sozialgerichtlichen Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Verfügungssatz einer Sanktionsentscheidung nach § 31 Abs. 2 SGB II muss hinsichtlich der Höhe des Absenkungsbetrags hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar sein (§ 33 Abs. 1 SGB X). Dem Bestimmtheitsgebot wird nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn unter bloßer Wiederholung des Gesetzestextes nur die theoretisch möglichen Maximalbeträge angegeben werden und/oder der Leistungsbezieher nur unter Heranziehung weiterer Leistungsbescheide errechnen könnte, um welchen Betrag seine Leistungen abgesenkt werden.

2. Die Heilung eines solchen Verstoßes gegen § 33 Abs. 1 SGB X im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 41 SGB X ist nicht möglich, da es sich nicht um einen Verfahrens- oder Formfehler handelt, sondern um eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Sanktionsentscheidung.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 16.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2007 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

3. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheids nach § 31 Abs. 2 SGB II.

Der Kläger, geboren am ... und wohnhaft in S. (Landkreis Lörrach), bezieht seit dem 1.1.2005 von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Im Rahmen dieser Leistungsbeziehung übersendete die Beklagte dem Kläger am 23.5.2005 eine Meldeaufforderung nach § 59 SGB II, § 309 SGB III für einen Termin am 16.6.2005. Ob der Kläger diese Aufforderung erhalten hat, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Nachdem der Kläger zu dem Termin am 16.6.2005 nicht erschienen war, stellte die Beklagte mit Bescheid vom gleichen Tag nach § 31 Abs. 2, Abs. 6 SGB II eine Absenkung der dem Kläger zustehenden Leistungen um 10 vom Hundert der Regelleistung für den Zeitraum vom 1.7. - 30.9.2005 fest. Der Verfügungssatz des Bescheids vom 16.6.2005 hat folgenden Wortlaut:

“Der Ihnen zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II wird für die Zeit vom 1.7.2005 bis 30.9.2005 um 10 vom Hundert der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des Ihnen zustehenden Auszahlungsbetrages, abgesenkt. Daraus ergibt sich eine maximale Absenkung in Höhe von 34,50 Euro. Im Einzelnen sind von der Absenkung betroffen: Arbeitslosengeld II.„

Der Kläger legte am 21.6.2005 gegen diese Entscheidung Widerspruch ein, den er damit begründete, dass er die Einladung zum Meldetermin nicht erhalten habe. Er führe dies darauf zurück, dass es Probleme bei der Postzustellung gegeben habe. Früher habe es für das Haus, in dem er wohne, einen gemeinschaftlichen Briefkasten gegeben. Deswegen sei in der Vergangenheit öfters an ihn gerichtete Post verlorengegangen. Er habe daher mittlerweile einen separaten Briefkasten eingerichtet. Jedoch könne es vorkommen, dass der Zusteller Briefe für ihn noch in den Gemeinschaftsbriefkasten einwerfe, so dass er diese dann nicht erhalte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.7.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte gehe davon aus, dass der Kläger das Einladungsschreiben erhalten habe, da er auch andere Schreiben der Beklagten bisher problemlos erhalten habe und auch hinsichtlich des Schreibens vom 23.5.2005 kein Postrücklauf erfolgt sei.

Mit seiner am 17.8.2005 beim Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 16.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die mit der Klage angefochtenen Bescheide für rechtsfehlerfrei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und der Bundesagentur für Arbeit, die das Gericht zum Verfahren beigezogen hat, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte über die vorliegende Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG), da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis damit erklärt haben (Schriftsatz des Klägers vom 3.2.2006, Bl. 9 der Gerichtsakte; Schriftsatz des Betreuers des Klägers vom 12.7.2006, Bl. 13 der Gerichtsakte; Schriftsatz der Beklagten vom 7.8.2006, Bl. 16 der Gerichtsakte).

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und statthaft als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG.

Die Klage ist auch begründet. Der Sanktionsbescheid der Beklagten vom 16.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten.

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