Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Erinnerungsverfahren nach § 189 Abs 2 S 2 SGG. Verfahrensgegenstand. Pauschgebührenpflicht gilt unabhängig vom Erfolg des erhobenen Rechtsbehelfs. rechtswegfremde Forderung. Kostenentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Erinnerung nach § 189 Abs 2 S 2 SGG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (Parallele zu LSG München vom 15.10.2015 - L 15 SF 281/15).

2. Die im Klage oder Eilverfahren getroffene Verfügung zur Nichtanwendung des § 197a SGG ist einer Überprüfung im Gebührenfeststellungsverfahren entzogen.

3. Die Pauschgebührenpflicht gem § 184 SGG gilt unabhängig vom Erfolg des erhobenen Rechtsbehelfs und ebenso für Verfahren, in denen vor dem Sozialgericht eine rechtswegfremde Forderung geltend gemacht wird, sofern keine Rechtswegverweisung erfolgt (Abgrenzung zu BGH vom 17.9.2014 - XII ZB 284/13 = NJW 2015, 251).

4. Die Entscheidung über die Erinnerung gem § 189 Abs 2 S 2 SGG erfordert eine Kostenentscheidung (Fortführung von SG Fulda vom 10.2.2010 - S 3 SF 22/09 E = ASR 2010, 87).

 

Tenor

Die Erinnerung gegen die Feststellung der Pauschgebühr im Verfahren S 11 KR 96/14 E wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Erinnerungsführerin zur Zahlung der Pauschgebühr gem. § 184 SGG.

Im Ausgangsverfahren S 11 KR 96/14 ER machte die dortige Antragstellerin (im Folgenden nur: Antragstellerin) gegen die Antragsgegnerin und hiesige Erinnerungsführerin, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Durchführung von Fürsorgemaßnahmen gem. §§ 78 , 80 BBG zuständig ist, Leistungen zur Kostenübernahme für einen "Dusch-Toiletten-Stuhl" geltend. Unter dem 13. August 2014 erklärte die Antragstellerin die Rücknahme ihres Eilantrags. Bis dahin hatte die zuständige Kammervorsitzende weder in der Eingangsverfügung noch bei anderer Gelegenheit die Anwendung des § 197a SGG festgestellt oder verfügt.

Daraufhin stellte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine Pauschgebühr gegen die Erinnerungsführerin gem. § 189 Abs. 2 S. 1 SGG in Höhe von 75,00 EUR fest; der Auszug aus dem Gebührenverzeichnis wurde der Erinnerungsführerin unter dem 26. November 2014 übersandt.

Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit ihrem Schriftsatz vom 17. Dezember 2014, der am selben Tag bei dem SG Fulda eingegangen ist. Zur Begründung führt sie aus, dass sie weder eine gesetzliche Krankenkasse noch eine private Krankenversicherung sei, sondern eine Sozialeinrichtung zur Durchführung von Fürsorgemaßnahmen. Sie stelle organisationsintern ein zweistufiges Beschwerdeverfahren zur Verfügung, nach deren Abschluss nur der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei. Betreffend das Begehren des Ausgangsverfahrens sei der Beschwerde der Antragstellerin abgeholfen worden, worüber sie auch unterrichtet worden sei. Die Anrufung des Sozialgerichts durch die Antragstellerin sei daher unzulässig gewesen.

Die Erinnerungsführerin beantragt,

die Pauschgebühr niederzuschlagen bzw. sie der Antragstellerin aufzuerlegen.

Der Erinnerungsgegner hat keinen Antrag gestellt, jedoch Zweifel vorgetragen, ob die Antragstellerin überhaupt zum privilegierten Personenkreis gem. § 183 SGG gehört habe und nicht vielmehr § 197a SGG auf das Ausgangsverfahren hätte Anwendung finden müssen.

II.

Die zulässige, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 189 Abs. 2 S. 2 SGG erhobene Erinnerung ist unbegründet. Die Erinnerungsführerin ist zur Entrichtung der festgestellten Pauschgebühr verpflichtet.

Auch wenn die Erinnerungsführerin im Schriftsatz vom 17. Dezember 2015 explizit nur einen Antrag auf Niederschlagung oder die Verpflichtung der Antragstellerin zur Kostentragung gestellt hat, ist dieser Antrag gleichwohl (auch) als Erinnerung auszulegen. Wie das BayLSG jüngst im Beschluss vom 15. Oktober 2015 (L 15 SF 281/15 -, juris Rn. 11) ausgeführt hat, ist der Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und Anträgen bei Gericht der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist, was im Zweifel zu einem umfassenden Rechtsschutzbegehren führt.

1. Im Erinnerungsverfahren gem. § 189 Abs. 2 S. 2 SGG kann Anwendung des "richtigen" Kostenrechts - der §§ 183 ff. SGG einerseits oder des § 197a SGG i.V.m. §§ 154 ff. VwGO andererseits - nicht zum Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemacht werden.

Hierzu hat das bereits zitierte BayLSG ( Beschl. v. 15. Oktober 2015 - L 15 SF 281/15 - juris Rn. 14) mit Recht für die parallele Konstellation im Rahmen der Erinnerung gem. § 66 Abs. 1 GKG ausgeführt, dass dieser Rechtsbehelf nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden könne, nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Im Erinnerungsverfahren zum Kostenansatz nach § 19 GKG könne daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen ...

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