Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenfestsetzung. einstweiliger Rechtsschutz. Erledigung der Sache durch Beschluss. Höhe der Pauschgebühr
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn sich ein sozialgerichtliches Eilrechtsschutzverfahrens durch kontradiktorischen Beschluss erledigt, ermäßigt sich die Pauschgebühr auf die Hälfte (entgegen LSG Darmstadt vom 10.10.2019 - L 2 SF 45/19 E).
Tenor
Das Pauschgebührenverzeichnis gegenüber der Erinnerungsführerin vom 5. Oktober 2020 wird dahingehend abgeändert, dass die Pauschgebühr unter Nr. 10 für das Verfahren des SG Fulda S 10 AL 54/20 ER auf 75,00 EUR festgesetzt wird.
Der Erinnerungsgegner hat der Erinnerungsführerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Pauschgebühr, die von der Erinnerungsführerin für das vor dem SG Fulda unter dem Aktenzeichen S 10 AL 54/20 ER geführte Verfahren (im Folgenden nur: Ausgangsverfahren) zu entrichten ist. In diesem Ausgangsverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Dieses Rechtsschutzbegehren wies der zuständige Kammervorsitzende mit Beschluss vom 1. September 2020 zurück. In der Folge wurde im Rahmen der Pauschgebührenfestsetzung gemäß § 189 Abs. 1 SGG für das Ausgangsverfahren eine Pauschgebühr von 150 EUR (vgl. § 184 Abs. 2 SGG) festgesetzt und der Erinnerungsgegnerin als Bestandteil des Gebührenverzeichnisses vom 5. Oktober 2020 am Folgetag zugestellt.
Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit ihrer Erinnerung vom 13. Oktober 2020, die am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist. Zur Begründung führt sie aus, dass für diese Verfahren lediglich 75 EUR als Pauschgebühr hätten festgesetzt werden dürfen.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
das Pauschgebührenverzeichnis vom 5. Oktober 2020 dahingehend zu berichtigen, dass für das Ausgangsverfahren lediglich eine Pauschgebühr von 75 EUR festgesetzt wird.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, dass eine Reduzierung der Pauschgebühr von 150 EUR auf lediglich 75 EUR vorliegend nicht in Betracht komme, weil das Gericht im Ausgangsverfahren eine streitige Entscheidung habe treffen müssen. Nach § 186 S. 1 SGG ermäßige sich zwar die Pauschgebühr auf die Hälfte, wenn eine Sache nicht durch Urteil erledigt werde; insoweit dürfe aber nicht auf den Wortlaut abgestellt werden, sondern darauf, ob eine kontradiktorische Entscheidung ergangen sei.
Eine Ermäßigung der Gebühr finde letztlich auch bei einem Gerichtsbescheid und auch bei einem Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG nicht statt. Denn die bei diesen Entscheidungen anfallende Mühewaltung des Gerichts sei mit derjenigen vergleichbar, die für ein Urteil erforderlich sei. Folglich sei eine volle Pauschgebühr festzusetzen. Im Übrigen verweist der Erinnerungsgegner auf die Ausführungen des HLSG in seinem Beschluss vom 10. Oktober 2019 (L 2 SF 45/19 E).
II.
Die gem. §189 Abs. 2 SGG zulässige, insbesondere fristgemäß erhobene Erinnerung ist begründet. Für das Ausgangsverfahren wurden zu Unrecht 150 EUR als Pauschgebühr festzusetzen.
Gemäß § 184 Abs. 1, 2 SGG hat eine nicht kostenprivilegierte Beteiligte wie die Erinnerungsführerin für jedes Verfahren vor den Sozialgerichten, soweit nicht ein Fall des § 197a SGG vorliegt, eine Pauschgebühr zu entrichten, die vor dem erstinstanzlichen Sozialgericht 150 EUR beträgt. Die Gebühr ermäßigt sich gemäß § 186 S. 1 SGG „auf die Hälfte“, wenn „eine Sache nicht durch Urteil erledigt“ wird.
Vorliegend wurde die „Sache“, also das Ausgangsverfahren, nicht durch „Urteil“ erledigt, sondern durch einen „Beschluss“. Damit ist der Tatbestand des § 186 S. 1 SGG erfüllt, so dass sich die Gebühr von 150 EUR auf die Hälfte, also 75 EUR reduziert. Somit durfte nur diese hälftige Gebühr gegenüber der Erinnerungsführerin festgesetzt werden.
Dieses Ergebnis kann nicht durch die Argumentation des Erinnerungsgegners infrage gestellt werden. Zusammengefasst vertritt er die Auffassung, dass es im Hinblick auf die Gebührenreduzierung nicht auf die Entscheidungsform ankommen könne, sondern auf die für die Erledigung des jeweiligen Verfahrens entstandenen Mühen des Gerichts. Seien diese einem Urteil gleichzusetzen, wie es bei einem kontradiktorischen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Fall sei, scheide eine Gebührenreduzierung aus.
Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil, wie der Erinnerungsgegner selbst einräumt, dass der Wortlaut des § 186 S. 1 SGG dem entgegensteht. Eine Auslegung gegen den ausdrücklichen Wortlaut einer Norm ist aufgrund der Gesetzesbindung sowohl der exekutiven Gerichtsverwaltung wie auch der Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG) unzulässig. Es ist für die Kammer auch schlicht ausgeschlossen, dass der Prozessrechtsgesetzgeber bei der Verwendung des Begriffs „Urteil“ falsche Vorstellungen über die Bedeutung dieses Wortes gehabt haben könnte. Es dürfte unt...