Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr. Wirksamwerden der Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe. Würdigung des Arbeits- und Zeitaufwands des gesamten Verfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beurteilung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gem § 14 Abs 1 S 1 RVG ist der im gesamten Verfahren aufgewendete Arbeits- und Zeitaufwand zu würdigen, wenn eine gebührenauslösende Tätigkeit innerhalb des Prozesskostenhilfebewilligungszeitraums erfolgt ist (Anschluss an LSG München vom 22.7.2010 - L 15 SF 303/09 B E).
2. Die Begrenzung des berücksichtigungsfähigem Arbeits- und Zeitaufwand auf den Zeitraum nach dem Wirksamwerden der Beiordnung verstößt gegen die Systematik der Pauschgebühren und führt im Hinblick auf die Forderungssperre des § 122 Abs 1 Nr 3 ZPO zu einem unzulässigen Gebührenausfall beim beigeordneten Rechtsanwalt (Anschluss an LSG München vom 22.7.2010 - L 15 SF 303/09 B E).
Tenor
1. Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird die Vergütungsfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des SG Fulda vom 11.05.2010 für das Verfahren S 10 AL 94/09 geändert und die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 248,71 € festgesetzt.
2. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem SG Fulda geführten Verfahrens S 10 AL 94/09 aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung.
Der Erinnerungsführer vertrat die Klägerin im vorbezeichneten Ausgangsverfahren (im Folgenden Klägerin). Sie erhob am 15.10.2009 Klage zum SG Fulda. Gegenstand der Klage waren im Wesentlichen die Kosten für das Verwaltungsverfahren, in dem die Beteiligten über die Gleichstellung der Klägerin gestritten hatten. Die Klägerin - welcher zu diesem Zeitpunkt ein GdB von 30 bescheinigt wurde - beantragte am 10.08.2009 die Gleichstellung mit einer Schwerbehinderten. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden Beklagte) entsprach diesem Antrag nicht, sondern sicherte mit Bescheid vom 21.08.2009 zu, dass sie die Klägerin gleichstellen würde, wenn ein Arbeitgeber ihre Einstellung von der Gleichstellung abhängig mache.
Am 02.09.2009 legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass sie einen Anspruch auf die Gleichstellung habe.
Mit Bescheid vom 04.09.2009 stellte die Beklagte (Ausgangsbehörde) die Klägerin mit einer Schwerbehinderten gleich. Weiterhin hob sie die Zusicherung vom 21.08.2009 auf. Im Bescheid vom 04.09.2009 heißt es weiter: “Ihrem Widerspruch wird damit stattgegeben und im Verwaltungswege abgeholfen.„ Eine Kostenentscheidung enthält der Bescheid nicht. Die Rechtsbehelfsbelehrung verweist die Klägerin auf die Möglichkeit des Widerspruchs.
Mit Schreiben vom 11.09.2009 teilte die Widerspruchstelle der Beklagten mit, dass kein Anlass bestehe, die Zusicherung vom 21.08.2009 aufzuheben, weil insoweit keine Beschwer ersichtlich sei. Gebühren und Auslagen seien nicht erstattungsfähig, weil unabhängig von der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten schon die Anfechtung der ausdrücklichen Zusicherung für die erfolgreiche Durchsetzung des Anliegens nicht erforderlich gewesen sei. Einwände gegen die Zusicherung seien nicht erhoben worden, lediglich die “Einlösung„ der Zusicherung sei eingefordert worden. In der Rechtsbehelfsbelehrung dieses Schreibens wird die Klägerin auf die Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Kostenentscheidung verwiesen.
Die Klägerin erhob sodann gegen das Schreiben vom 11.09.2009 Klage zum SG Fulda und beantragte:
1. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11.09.2009, zugegangen am 15.09.2009 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Klägerin im Widerspruchsverfahren und im Klageverfahren zu tragen.
Mit bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 06.11.2009 überreichte der Erinnerungsführer die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Dies hat der vormalige Kammervorsitzende als Antrag auf Prozesskostenhilfe gewertet.
Am 13.11.2009 beantragte die Beklagte, die Klage abzuweisen. Sie wies in der Klageerwiderung darauf hin, dass in Unkenntnis der Klageerhebung am 04.11.2009 ein Widerspruchsbescheid erlassen worden sei. Ob dieser Widerspruchsbescheid Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden sei, würde der Entscheidung des Gerichts überlassen. Es wurde angeregt, die Zulässigkeit der Klage zu prüfen, denn zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei das Vorverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen.
In dem Widerspruchsbescheid vom 04.11.2009 wird die Erstattung der Kosten für das Widerspruchsverfahren gegen die Zusicherung abgelehnt.
Am 10.12.2009 teilte der Erinnerungsführer mit, dass im Hinblick auf die “zwischenzeitlich durch die nach diesseitigem Dafürhalten zwar auch rechtswidrige, aber gleichwohl erfolgte rückwirkende Gleichstellung die Hauptsache wohl erledigt wurde. Insoweit wäre über eine Erledigung der Hauptsache nachzudenken.„
Im Hinblick auf den Widerspruc...