Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. Kausalität. weitere Unfallfolge. psychische Gesundheitsstörung. posttraumatische Belastungsstörung. unfallunabhängige multiple seelische Konflikte. Primär-Persönlichkeitsstruktur. unfallunabhängige Anpassungsstörung. Gelegenheitsursache. medizinische Voraussetzung. Traumakriterium: A1-Kriterium. Umstände nach dem Unfallereignis. Verkehrsunfall. ausgeheilte Benett-Fraktur

 

Orientierungssatz

Zur Nichtanerkennung weiterer Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet als Unfallfolgen (hier: posttraumatische Belastungsstörung) mangels Nachweises der haftungsbegründenden Kausalität (hier: wegen Vorliegens unfallunabhängiger multipler seelischer Konflikte und einer unfallunabhängiger Anpassungsstörung des Versicherten).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Umstritten sind Art und Umfang der durch die Folgen eines Arbeitsunfalls vom 06.05.2004 sowie die Höhe der dadurch bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers.

Der 1959 geborene Kläger erlitt am 06.05.2004, gegen 8:30 Uhr einen Motorradunfall. Auf dem Weg zur Schule übersah ihn ein nach links abbiegendes Auto. Das Auto erwischte seinen rechten Seitenkoffer, so dass er mit der Maschine zusammen 15 bis 20 Meter entfernt auf der Mitte der Fahrbahn der Bundesstraße aufkam.

Der Kläger ist in der Türkei geboren. Nach seinem Abitur studierte er drei Jahre lang an der Pädagogischen Fakultät der Hochschule in Izmir Türkisch und Deutsch auf Lehramt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch nicht vor, nach Deutschland zu gehen. Wegen politischer Unruhen reiste er dann mit seiner deutschen Freundin im Jahre 1979 nach Deutschland aus. In Deutschland arbeitete er an Haupt-, Real-, Sonder- und Berufsschulen. Zuerst unterrichtete er Deutsch für Ausländer und dann Türkisch. Der Kläger war sehr aktiv: beispielsweise gründete er eine Folkloregruppe und einen Elternverein, er war als Experte für Integration des Öfteren im Fernsehen zu sehen und leitete eine Theatergruppe.

Nach der Unfallmeldung vom 11.06.2004 ermittelte die Beklagte den tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt, unter anderem durch Beiziehung ärztlicher Befundberichte und des Vorerkrankungsverzeichnisses, aus denen sich unter anderem Folgendes ergab:

Der Kläger zog sich bei dem Motorradunfall eine Bennett-Fraktur der rechten Hand zu. Bewusstlosigkeit, Amnesie oder neurologische Auffälligkeiten bestanden nicht. Insgesamt ist der Bruch der rechten Hand gut verheilt und für die weiter vom Kläger geäußerten Beschwerden fand sich kein entsprechendes klinisches Korrelat.

In dem neurologischen Bericht vom 15.06.2004 wurde beispielsweise ausgeführt, dass der Kläger seine Beschwerden in aggravierender Weise vorgetragen habe. In dem orthopädischen Bericht vom 03.09.2004 wurde keine Aggravationstendenz des Klägers gesehen. Seitens des chirurgischen Fachgebietes wurde am 10.09.2004 attestiert, dass der Kläger eine Schonhaltung der rechten Hand annehme, wofür es keine objektive Begründung gebe. In einem psychologischen Bericht vom 03.11.2004 wurde berichtet, dass der Kläger Symptome benenne, die auf eine posttraumatische Belastungsstörung hindeuten. Allerdings habe sich der Kläger nicht genau an den Inhalt der Träume erinnern können, nur “dass es etwas mit dem Unfall zu tun habe„. Es wurde weiter beschrieben, dass der Kläger misstrauische, emotional instabile und narzisstische Persönlichkeitszüge habe. Eine konversionsneurotische Symptomatik wurde vermutet. Der Kläger war stationär untergebracht und absolvierte sodann eine stationäre Rehabilitation. Der den Kläger behandelnde Arzt Dr. C. stellte in mehreren Berichten an die Beklagte fest, dass zwischen den klägerischen Beschwerden und dem Unfall ein Zusammenhang bestehe, zumal der Kläger vorher beschwerdefrei gewesen sei. In dem Bericht der im Auftrag der Beklagten durchgeführten neurologisch-psychiatrischen Untersuchung vom 11.04.2005 wird wiederum ausgeführt, dass der Kläger keine intrusiven Erinnerungsbilder an den Unfall habe. Er habe Alpträume, wisse aber nicht mehr den Inhalt. Wenn er an der Unfallstelle vorbei fahre, werde er wieder an den Unfall erinnert und dies löse auch Angstgefühle in ihm aus. Er fahre kein Motorrad mehr. Es wurde die Verdachtsdiagnose einer Anpassungsstörung mit Somatisierungsstörung unter Ausschluss einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt. Festgestellt wurde des Weiteren eine Aggravationstendenz hinsichtlich der körperlichen Beschwerden. Für die Beschwerdesymptomatik auf psychiatrischem Fachgebiet stünden die Persönlichkeitsfaktoren des Klägers im Vordergrund.

Der Beratungsarzt der Beklagten kam zu dem Ergebnis, dass auf unfallchirurgisch-handchirurgischem Gebiet der Knochenbruch an der rechten Hand stabil verheilt sei und weitere Unfallfolgen nicht hinreichend wahrscheinlich seien. Das Ende der Behandlungsbedürftigkeit und der Arbeitsunfähigkeit wurde auf den 05.11.2004 festgelegt, dem...

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