Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Zulässigkeit der Kodierung einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung. kein Ausschluss durch die Landeskrankenhausplanung
Leitsatz (amtlich)
Der Landeskrankenhausplanung ist es wegen des Vorrangs des Bundesrechts (§ 39 Abs 1 S 2 SGB V und § 2 Abs 2 S 2 Nr KHEntgG) verwehrt, durch die Schaffung von Fachprogrammen Rehabilitationsleistungen während einer akutstationären Behandlung vom Versorgungsauftrag eines behandelnden Krankenhauses auszuschließen. Daher kann ein behandelndes Akut-Krankenhaus Prozeduren wie den OPS 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) auch dann DRG-wirksam kodieren, wenn es (noch) nicht in ein bestehendes Fachprogramm "Akutgeriatrie" aufgenommen ist.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.705,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 4.381,76 EUR seit dem 31. Dezember 2009, aus 3.516,51 EUR seit dem 17. Dezember 2009 und aus 1.807,38 EUR seit dem 25. März 2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklage trägt die Kosten des Verfahren.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung der stationären Behandlung dreier Versicherter der Beklagten.
Die Klägerin behandelte in der von ihr betriebenen A-Klinik, (...), die Versicherten der Beklagten
- V1 im Zeitraum vom 24. November bis 10. Dezember 2009,
- V2 im Zeitraum vom 10. bis 27. November 2009 und
- V3 im Zeitraum vom 15. Januar bis 9. Februar 2010
im Rahmen eines stationären Aufenthalts, während dessen eine frührehabilitative geriatrische Komplexbehandlung durchgeführt wurde.
Hierfür stellte sie der Beklagten drei DRG-basierte Vergütungen in Rechnung mit Datum vom 16. Dezember 2009 (V1), vom 30. November 2009 (V2) und vom 22. Februar 2010 (V3), zu deren Bestimmung sie jeweils den
OPS 8-550.1 Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung:
Mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten
kodierte.
Die Beklagte glich die Vergütungsrechnungen nicht vollständig aus, so dass für die Behandlung der Versicherten noch folgende Beträge offenstehen:
- V1: 4.381,76 EUR,
- V2: 3.516,51 EUR und
- V3: 1.807,38 EUR.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 28. Dezember 2011, der am Folgetag bei dem SG Fulda eingegangen ist, hat die Klägerin Klage erhoben und verfolgt ihr Vergütungsbegehren in Höhe der vorstehend bezifferten Teilrechnungsbeträge weiter. Zur Begründung führt sie aus, dass das Fachprogramm "Akutgeriatrie" gemäß des Beschlusses des Bayerischen Krankenhausplanungsausschusses vom 23. November 2009 keinen Versorgungsauftrag "Akutgeriatrie" eröffne, sondern lediglich einen Versorgungsschwerpunkt. Soweit der Klägerin ein diesbezüglicher Feststellungsbescheid vom 8. Juni 2010 erteilt worden sei, komme dem nur deklaratorische Bedeutung zu.
Die Klägerin beantragt nach Klageerweiterung zuletzt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.705,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 4.381,76 EUR seit dem 31. Dezember 2009, aus 3.516,51 EUR seit dem 17. Dezember 2009 und aus 1.807,38 EUR seit dem 25. März 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass die klägerische Klinik erst mit Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 8. Juni 2010 mit sofortiger Wirkung in das "Fachprogramm Akutgeriatrie" aufgenommen worden sei. Erst ab diesem Zeitpunkt sie sie daher berechtigt gewesen, eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung erlöswirksam durchzuführen. Da die streitgegenständlichen Behandlungen bereits zuvor erfolgt seien, könnten sie mangels Versorgungsauftrags auch nicht durch die Beklagte abgerechnet werden.
Soweit Entscheidungen zur Rechtslage in anderen Bundesländern ergangen seien, könnten diese nicht auf Bayern übertragen werden. Denn der Bayerische Krankenhausplan enthalte ausdrücklich die "Akutgeriatrie" in Gestalt eines Fachprogramms, das unter den Vorbehalt einer speziellen Krankenhausplanung falle.
Soweit der Versicherte V2 betroffen sei, fehle es zudem an der Erfüllung der Voraussetzungen des streitgegenständlichen OPS-Kodes.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin kann mit Recht auch die weitere streitgegenständliche Vergütung geltend machen.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V i. V. m. § 7 S. 1 Nr. 1 KHEntgG sowie der Vertrag über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für den Freistaat Bayern. Nach Rechtsprechung des BSG entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1, BSGE 90, 1, 2 = SozR 3.2500 § 112 Nr. 3). Die Höhe der einem...