Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Voraussetzung einer Kostenübernahme für eine Zahnarztbehandlung als Rehabilitationsleistungen

 

Orientierungssatz

1. Die Übernahme der Kosten für einen Zahnersatz als Leistung zur medizinischen Rehabilitation zusätzlich zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn sie tatsächlich zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit erforderlich ist und nicht nur auch der Ausübung der Erwerbstätigkeit zugutekommt.

2. Einzelfall zum Vorliegen eines Anspruchs auf Kostenübernahme für einen Zahnersatz als Leistung zur medizinischen Rehabilitation bei einem Gymnasiallehrer (hier: Kostenübernahmeanspruch verneint).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.04.2019; Aktenzeichen B 13 R 233/17 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Übernahme von Kosten für eine zahnärztliche Behandlung.

Der Kläger ist Gymnasiallehrer an einem Weiterbildungskolleg für die Fächer Deutsch, Philosophie und Musik.

Er beantragte am 03.11.2010 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bei der Beklagten. Es bestehe eine Artikulationsstörung aufgrund eines defekten Gebisses, welches seine Tätigkeit als Gymnasiallehrer zunehmend stärker beeinträchtige. Aus dem eingereichten Heil- und Kostenplan vom 04.10.2010 ergeben sich Kosten von insgesamt 5903,58 EUR, wobei die Krankenkasse des Klägers (Betriebskrankenkasse HMR) im Wege des Festzuschusses zu der Regelversorgung höchstens 1338,78 EUR zahle. Mit Anschreiben vom 07.10.2010 des Zahnarztes des Klägers Dr. S werden die Behandlungskosten mit voraussichtlich 6269,67 EUR veranschlagt.

Mit Bescheid vom 18.11.2010 bzw. 11.11.2010 wurde der Antrag auf Zuschuss zur zahnärztlichen Behandlung einschließlich Zahnersatz als Leistung zur medizinischen Rehabilitation abgelehnt. Zuschüsse könnten nur erbracht werden, wenn die Leistungen zur Ausübung des bisherigen Berufes erforderlich seien. Die Leistungsverpflichtung beziehe sich dabei nicht auf Tätigkeiten, für deren Ausübung der Kopfraum (Mund und Zähne) nicht unmittelbar besonderen Belastungen ausgesetzt sei oder bei denen auch optischen Anforderungen bereits mit Zahnersatzlösungen des üblichen Standards Rechnung getragen werde. Sofern der Zahnersatz lediglich der Besserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und im Hinblick auf die konkrete Berufsausübung nicht unmittelbar oder gezielt der Abwendung einer erheblich gefährdeten oder geminderten Erwerbsfähigkeit diene, könne die Beklagte keine Kosten übernehmen.

Gegen den Bescheid vom 18.11.2010 bzw. 11.11.2010 erhob der Kläger unter dem 13.11.2010 bzw. 21.11.2010 Widerspruch. Der vorgesehene festsitzende Zahnersatz der beschädigten Brücke aus dem Jahr 1995 diene unmittelbar und gezielt der Abwendung einer erheblichen gefährdeten ungeminderten Erwerbsfähigkeit. Andernfalls sei er nicht mehr in der Lage, seinen Beruf mit hohem Sprechanteil ausüben zu können. Der beantragte Zahnersatz sei erforderlich, um eine für Schüler, Eltern und Kollegen zumutbare sprachliche Artikulation zu gewährleisten.

Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.11.2010 wurde durch den Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Der Zahnersatz sei lediglich zur Besserung des allgemeinen Gesundheitszustandes des Klägers erforderlich, ohne dass damit auch der Zahnersatz speziell, unmittelbar und gezielt zur wesentlichen Besserung der Erwerbsfähigkeit und zur Ausführung des bisherigen Berufs erforderlich sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die Leistungsverpflichtung der Beklagten auf ganz spezielle Berufe beschränkt, wie z.B. den des Berufsmusikers, der vornehmlich Blasinstrumente spiele und demgemäß unmittelbar zur Ausübung seines Berufes auf einen besonders guten Zahnersatz angewiesen sei. Der Kläger gehöre jedoch nicht zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis.

Der Kläger hat am 17.03.2011 Klage erhoben. Dabei begehrt er weiter die Kosten für die medizinische Rehabilitationsmaßnahme in Höhe von 6.291,62 EUR, abzüglich des letzendlich gewährten Festzuschusses durch seine Krankenkasse in Höhe von 1.442,90 EUR und der gewährten Beihilfe in Höhe von 1.355,81 EUR. Der beantragte Zahnersatz sei zwingend erforderlich.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2010 bzw. 11.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.03.2011 zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zu der Argumentation im Vorverfahren trägt die Beklagte vor, dass die zahnärztliche Behandlung nicht ausschließlich aus berufsbedingten Gründen, sondern aus medizinischen Gründen erforderlich geworden sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung des Befundberichtes von dem den Kläger behan...

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