Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Umdeutung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung. aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld nach § 51 PflegeVG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Auslegung und Umdeutung des Antrages der Antragstellerin von einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG in einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes nach § 86b Abs 1 SGG ist zulässig und zur Gewährung effektiven Rechtschutzes geboten.
2. Die Leistungsgewährung des Pflegegeldes nach Art 51 Abs 1 PflegeVG basiert auf einem Dauerverwaltungsakt, mit der Folge, dass sich die Aufhebung der Leistungsgewährung nach §§ 45, 48 SGB 10 richtet und der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 02.02.2012 gegen den Bescheid vom 30.01.2012 aufschiebende Wirkung hat.
2. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die vorläufige Gewährung von Leistungen nach Art. 51 Pflegeversicherungsgesetz.
Die Antragstellerin ist 1988 geboren. Sie leidet an einer Missbildung der Unterschenkel und teilweise der Finger.
Im amtsärztlichen Gutachten vom 18.10.1989 wird ausgeführt, dass die Antragstellerin der Hilfe beim Gehen, Waschen, An- und Auskleiden, der Nahrungsaufnahme, bei der Verrichtung der Notdurft und beim Aufstehen und Hinlegen bedürfe (Bl. 6 Verw.-Akte). Dies wurde im Gutachten am 15.01.1992 bestätigt (Bl. 8 Verw.-Akte).
Der Antragsgegner gewährte der Antragstellerin Leistungen nach Art. 51 des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG) (Bl. 55 f., 144 Verw.-Akte). Die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 10.05.2000 erfolgte “für den Monat 06/00„ (Bl. 55 f. Verw.-Akte) und mit Bescheid vom 21.03.2003 “für den Monat 04/03„ (Bl. 144 Verw.-Akte).
Mit Bescheid vom 06.04.2010 hob die Barmer GEK als Pflegekasse die Gewährung von Pflegegeld der Stufe 1 auf. In der Begründung wird ausgeführt, dass im Bereich der Grundpflege nur noch ein Hilfebedarf von 24 Minuten festgestellt sei und der Hilfebedarf bei der Hauswirtschaft mit 45 Minuten im Vordergrund stehe (Bl. 244 f. Verw.-Akte).
Am 03.01.2012 teilte die Mutter der Antragstellerin mit, dass die Antragstellerin seit April 2010 kein Pflegegeld mehr von der Pflegekasse erhalte (Bl. 237 Verw.-Akte).
Mit Schreiben vom 18.01.2012 wurde die Antragstellerin durch den Antragsgegner aufgeforderte das vollständige Pflegegutachten vorzulegen (Bl. 247 Verw.-Akte).
Mit Schreiben vom 23.01.2012 übersandte die Antragstellerin das angeforderte Pflegegutachten (Bl. 250 Verw.-Akte).
Mit Bescheid vom 30.01.2012 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass die Leistungen zum 31.01.2012 eingestellt werden (Bl. 264 Verw.-Akte).
Mit Schreiben vom 02.02.2012 legte die Antragstellerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist.
Die Antragstellerin hat am 26.03.2012 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Gießen gestellt (Bl. 267 Verw.-Akte).
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Antragsgegner ihr die Leistungen weiterhin gewähren müsse. Sie sei zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes auf die Leistungen angewiesen. Die Leistungsbewilligung stelle sich unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Wäre die Leistung - wie der Antragsgegner es darstelle - nur befristet zuerkannt, hätte es einer Aufhebung der Leistung nicht bedurft.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin das Besitzstandspflegegeld gemäß Art. 51 PflegeVG auch weiterhin in voller Höhe zu gewähren (629,40 €).
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.
Er ist der Ansicht, dass nach dem Pflegegutachten des M.-H. die Voraussetzungen für die Gewährung des Pflegegeldes nicht mehr vorliegen. Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass die Leistungsgewährung nicht auf einem Dauerverwaltungsakt beruht und deshalb der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig.
Der Antrag der Antragstellerin wird nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dahingehend ausgelegt, dass die Antragstellerin die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches vom 02.02.2012 gegen den Bescheid vom 30.01.2012 begehrt. Rechtsgrundlage des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bildet damit § 86 b Abs. 1 SGG. Die Auslegung und Umdeutung des Antrages der Antragstellerin von einem Antrag auf Erlass...