Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Vermögenseinsatz. Bestattungsvorsorgevertrag. Verwertbarkeit. Kündbarkeit. Härte. angemessene Vorsorge
Orientierungssatz
1. Bei dem im Rahmen eines Bestattungsvorsorgevertrages hinterlegten oder angesparten Betrag handelt es sich nur dann um verwertbares Vermögen iS des § 90 Abs 1 SGB 12, wenn eine Pflicht des Treuhänders zur Rückgewährung des Betrages besteht. Dies setzt die Kündbarkeit und tatsächliche Kündigung des Bestattungsvorsorgevertrages voraus.
2. Im Falle der Kündigung eines Bestattungsvorsorgevertrages nach § 649 BGB kann der Leistungsberechtigte nur dann über die im Sicherungsvertrag hinterlegte Summe in Gänze verfügen, wenn der Bestatter auf die ihm gesetzlich zustehenden Vergütungsansprüche verzichtet.
3. Bei § 649 BGB handelt es sich um ein abdingbares Recht, sodass vertraglich eine Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl BSG vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R = BSGE 100, 131 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3).
4. Bestattungsvorsorgeverträge sind nur dann nach § 90 Abs 3 SGB 12 geschützt, wenn sie angemessen sind.
5. Zur Bestimmung der Angemessenheit eines Bestattungsvorsorgevertrages.
Tenor
1. Der Bescheid vom 11.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2016 wird abgeändert, soweit der Beklagte den Einsatz von Vermögen für den Monat Juni 2016 in Höhe von 587,09 festgesetzt hat.
2. Der Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Vermögenseinsatz in Höhe von 587,09 Euro.
Die 1929 geborene Klägerin lebt seit dem 20.10.2015 in einem Seniorenzentrum in A-Stadt. Am 23.05.2016 hat die Klägerin einen Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen und insgesamt 6.300,00 Euro für Bestattungskosten auf ein Treuhandkonto eingezahlt. Den Antrag der Klägerin vom 13.10.2015, Leistungen für die durch eigene Einkünfte gedeckten Heimkosten zu zahlen, lehnte der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 09.11.2015 zunächst ab. Am 06.06.2016 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Gewährungen von Leistungen nach dem SGB XII - Hilfe in Einrichtungen. Nach einem Schriftwechsel teilte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 11.08.2015 mit, er leiste im Ergebnis ab 01.06.2016 Heimpflegekosten. Für den Monat Juni 2016 legte der Beklagte einen Einkommenseinsatz in Höhe von 587,09 Euro fest.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 05.09.2016 Widerspruch ein und machte geltend, der Betrag von 6.300,00 Euro sei für die Bestattungsvorsorge bzw. für die Bestattung anzuerkennen.
Nach weiterem Schriftwechsel wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2016 zurück. Auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 08.11.2016.
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, der Kostenbeitrag von 4.000,00 Euro entspräche nicht der Realität. Sie verweist auf das Urteil des BSG vom 18.03.2008, B 8/9b SO 9/06 R). Das Schonvermögen in Höhe von 2.600,00 Euro diene ausschließlich privaten Bedürfnissen. Bei dem Ansatz von 4.000,00 Euro handele es sich um eine "Sparausstattung". Mit Blick auf die emotionale Betroffenheit der Hinterbliebenen gelte das SGB XII überhaupt nicht. Im Übrigen seien die Bestattungsunternehmenskosten nicht überhöht. Insgesamt sei Bestattungsvorsorge mindestens in Höhe von 8.800,00 Euro anrechnungsfrei. Zur Begründung ihres Antrags stützt sich die Klägerin ergänzend auf ihre Schriftsätze vom 12.01., 17.03., 25.04. und 08.06.2017.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 11.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2016 abzuändern, soweit vom Beklagten ein Vermögenseinsatz in Höhe von 587,09 Euro festgesetzt wurde.
Der Beklagte beantrage,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und bezieht sich zur Begründung seines Antrags auf seine Schriftsätze vom 28.12.2016, 03.02., 10.04., 04.05. und 11.07.2017. Das Vermögen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag sei zu berücksichtigen, soweit es 4.000,00 Euro übersteige. Die Kostenaufstellung des Bestattungsunternehmens sei höher als die Kosten, die nach der Handlungsanweisung zu übernehmen seien. In erster Linie seien die Kinder der Klägerin nach § 1968 BGB bestattungspflichtig. Im Übrigen habe die Klägerin ein Wohnrecht, was im Todesfall der Finanzierung der Bestattung dienen könne.
Dem Gericht lagen die Akten des Beklagten vor.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87,90,92 SGG).
Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 11.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2016 erweist sich im Umfang der Teilanfechtung als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Klägerin hat für den Monat Juni 2016 keinen Einsatz von Vermögen in Höhe von 587,09 Euro zu leisten.
Soweit der Beklagte einen entsprechenden Vermögenseinsatz gefordert hat, steht dies nicht im Einklang mit § 90 Abs. 2 Nr. 9 und Abs. 3 SGB...