Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlagebeschluss zum BVerfG. Minderung des Arbeitslosengeld II. Verfassungswidrigkeit der Sanktionsregelungen
Orientierungssatz
Dem BVerfG werden folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:
1. Ist § 31a iVm § 31 und § 31b SGB 2 in der Fassung vom 13.5.2011 (BGBl I S 850, 2094), gültig ab 1.4.2011, insoweit mit Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, als sich das für die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums maßgebliche Arbeitslosengeld II auf Grund von Pflichtverletzungen um 30 bzw 60 % des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs mindert bzw bei weiteren Pflichtverletzungen vollständig entfällt?
2. Ist § 31a iVm § 31 und § 31b SGB 2 in der Fassung vom 13.5.2011 (BGBl I S 850, 2094), gültig ab 1.4.2011, insoweit mit Art 2 Abs 2 S 1 GG vereinbar, als Sanktionen, wenn sie zu einer Lebensgefährdung oder Beeinträchtigung der Gesundheit der Sanktionierten führen, gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verstoßen?
3. Ist § 31a iVm § 31 und § 31b SGB 2 in der Fassung vom 13.5.2011 (BGBl I S 850, 2094), gültig ab 1.4.2011, insoweit mit Art 12 GG vereinbar, als Sanktionen gegen die Berufsfreiheit verstoßen?
Tenor
I. Das Verfahren wird gemäß Art. 100 Abs.1 Satz 1 GG ausgesetzt.
II. Dem Bundesverfassungsgericht werden folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:
II.1. Ist § 31a i.V.m. §§ 31 und 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 (BGBl I S.850, 2094), gültig ab 01.04.2011, insoweit mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, als sich das für die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums maßgebliche Arbeitslosengeld II auf Grund von Pflichtverletzungen um 30 bzw. 60% des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs mindert bzw. bei weiteren Pflichtverletzungen vollständig entfällt?
II.2. Ist § 31a i.V.m. §§ 31 und 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 (BGBl I S.850, 2094), gültig ab 01.04.2011 insoweit mit Art.2 Abs.2 S.1 GG vereinbar, als Sanktionen, wenn sie zu einer Lebensgefährdung oder Beeinträchtigung der Gesundheit der Sanktionierten führen, gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verstoßen?
II.3. Ist § 31a i.V.m. §§ 31 und 31b SGB II in der Fassung vom 13.05.2011 (BGBl I S.850, 2094), gültig ab 01.04.2011insoweit mit Art. 12 GG vereinbar, als Sanktionen gegen die Berufsfreiheit verstoßen?
Gründe
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Höhe der existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis 30.09.2014 und für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis 31.12.2014, wobei der Kläger davon ausgeht, dass § 31a i.V.m. §§ 31 und 31b SGB II nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Dem Kläger wurden mit Bewilligungsbescheid vom 31.01.2014 (für den Zeitraum 01.03.2014 bis 31.08.2014) 609,27 € mtl. und mit Bewilligungsbescheid vom 09.09.2014 (für den Zeitraum 01.10.2014 bis 31.12.2014) 611,81 € im Oktober, 391,00 € im November und 518,36 € im Dezember Grundsicherungsleistungen in nicht beanstandeter Höhe bewilligt. Die Regelleistung wurde mit jeweils 391,00 € zugrunde gelegt.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 hat der Beklagte den Kläger über einen möglichen Arbeitsplatz als Lagerarbeiter bei der Firma Z. L. GmbH & Co. KG informiert.
Mit Bescheid vom 04.06.2014 hat der Beklagte für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 30. September 2014 (Minderungszeitraum) das Arbeitslosengeld II um 30% des maßgebenden Regelbedarfes, insoweit um einen Betrag in Höhe von 117,30 € monatlich, gemindert. Zur Begründung hat der Beklagte angeführt, dass dem Kläger am 25. Februar 2014 ein Beschäftigungsverhältnis als Lager- und Transportarbeiter bei der Firma Z. L. GmbH & Co. KG angeboten wurde, es sich hierbei um ein zumutbares Angebot handelte und der Kläger trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen durch sein Verhalten das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses verhindert hat.
Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 19. Juni 2014 Widerspruch eingelegt.
Das Arbeitsangebot lehne der Kläger ab, da er sich für den Verkauf beworben habe.
Der Kläger habe auch mehrfach gegenüber seinem Arbeitsvermittler den Wunsch geäußert, im Bereich des Verkaufes eingesetzt zu werden.
Der Beklagte hat den Widerspruch mit Bescheid vom 15. Oktober 2014 als unbegründet zurückgewiesen und im Weiteren die Leistungsbewilligung für den Zeitraum 1. Juli 2014 bis 31. August 2014 teilweise in Höhe von 117,30 € monatlich aufgehoben.
Nach § 31 Abs. 1 SGB II mindere sich das Arbeitslosengeld in einer ersten Stufe um 30% des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfes, wenn sie sich trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbild...