Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. fremdwirtschaftliche Tätigkeit. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. unentgeltliche Beschäftigung für ein Entsorgungsunternehmen. Probearbeitstag

 

Orientierungssatz

1. Zum Vorliegen eines Arbeitsunfalles während der unentgeltlichen Beschäftigung an einem Probearbeitstag.

2. Eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 SGB 4 setzt nicht notwendig ein Arbeitsverhältnis voraus. Eine Beschäftigung liegt auch dann vor, wenn sich der Verletzte in ein fremdes Unternehmen eingliedert und sich seine konkrete Handlung dem Weisungsrecht eines Unternehmens insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Verrichtung unterordnet. Entscheidend ist, wie das Vertragsverhältnis im Rahmen des rechtlich Zulässigen vollzogen wurde. Auf die Zahlung einer Vergütung kommt es nicht entscheidend an.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.08.2019; Aktenzeichen B 2 U 1/18 R)

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2013 wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 13. September 2012 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Ereignisses vom 13. September 2012 als Arbeitsunfall.

Unter dem 19. September 2012 zeigte der Entsorgungsfachbetrieb ... in ... einen Unfall des ... 1980 geborenen Klägers vom 13. September 2012 an. Der Kläger sei um 12:30 Uhr während der Beschäftigung an einem Probetag auf dem Gelände des ... in ... von der Laderampe eines LKW gefallen und habe sich eine Kopfverletzung zugezogen. Von dem Unfall habe zuerst ... Kenntnis genommen, der jedoch nicht Augenzeuge gewesen sei.

Es erfolgte eine Einlieferung des Klägers durch den Notarzt in das Krankenhaus ... mit anschließender Verlegung in das Klinikum ... Dort erfolgte eine Notoperation mit anschließendem stationärem Aufenthalt. Der Durchgangsarzt Prof. Dr ... diagnostizierte ein Subdural- und Epiduralhämatom links, eine Kalottenfraktur mit Mittelgesichtsfrakturen sowie eine Handgelenksfraktur rechts.

Unter dem 18. September 2012 teilte die Firma ... auf einem Vordruck des Jobcenters mit, der Kläger habe am 11. September 2012 von 17 Uhr bis 18 Uhr sowie am 13. September 2012 für die Stelle eines Kraftfahrers zur Probe gearbeitet. Er sei aus eigenem Willen zur Vorstellung erschienen.

Unter dem 22. Oktober 2012 teilte die anwaltlich vertretene Firma ... mit, zwischen dem Kläger und dem Unternehmen habe kein Arbeitsverhältnis "im eigentlichen Sinne" bestanden. Der Kläger habe lediglich einen "Probetag im Rahmen eines Einfühlungsverhältnisses" ohne Vergütung absolviert. Unter dem 28. Januar 2013 ergänzte die anwaltlich vertretene Firma ..., der Kläger habe sich aufgrund eigener Initiative beworben. Bekanntlich entsorge das Unternehmen Lebensmittelabfälle. In der Vergangenheit habe sich bereits mehrfach gezeigt, dass Bewerber für eine solche Tätigkeit nicht geeignet seien bzw. eine solche Tätigkeit nicht ausführen wollten. Das Unternehmen sei deshalb dazu übergegangen, Bewerber zunächst einmal einen "Probetag im Rahmen eines Einfühlungsverhältnisses" absolvieren zu lassen. So hätten sie es auch im Falle des Klägers gehandhabt. Eine Einstellungszusage hätten sie nicht erteilt. Der fragliche Tag habe zur Abklärung gedient, ob die Tätigkeit von dem Kläger gewünscht bzw. ob dieses zu einer solchen Tätigkeit überhaupt in der Lage sein würde.

Unter dem 13. Februar 2013 teilte das Jobcenter ... mit, der Kläger habe die Probebeschäftigung im September 2012 nicht angezeigt.

Mit Bescheid vom 4. März 2013 lehnte es die Beklagte ab, den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anzuerkennen. Bei Probearbeitstagen vor Abschluss eines Arbeitsverhältnisses bestehe kein Versicherungsschutz, weil die Handlungstendenz durch Eigeninteresse geprägt sei, den Arbeitsplatz zu erhalten. Das Eigeninteresse stehe auch einem Versicherungsschutz als "Wie-Beschäftigter" entgegen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2013 als unbegründet zurück.

Mit der am 5. August 2013 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage verfolgt der Kläger die Anerkennung des Unfalls vom 13. September 2012 als Arbeitsunfall weiter. Der Kläger trägt vor, er habe am Unfalltag seine Tätigkeit bei der Firma ... angetreten. Der Juniorchef des Unternehmens sei noch am Unfalltag nach dem Unfall bei seiner Ehefrau erschienen, habe über den Unfall informiert und die Kontodaten des Klägers für die Lohnzahlung abgefordert. Damit sei klargestellt, dass er bei dem Unternehmen bereits eingestellt gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2013 abzuändern und festzustellen, dass das Ereignis vom 13. September 2012 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Di...

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