Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen der Amtsermittlungspflicht des Sozialgerichts bei einer Entscheidung über die Höhe der dem Hilfebedürftigen zu bewilligenden Kosten der Unterkunft - Ausschluss einer Übernahme von Schulden des Grundsicherungsberechtigten durch den Grundsicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Das Ausmaß der Ermittlungen des Gerichts im Rahmen der ihm nach § 103 SGG obliegenden Amtsermittlungspflicht steht in dessen pflichtgemäßem Ermessen. Die Klagebefugnis als Sachurteilsvoraussetzung setzt nicht nur eine Behauptung des Klägers voraus, in eigenen Rechten verletzt zu sein; die Verletzung muss vielmehr auch schlüssig dargetan werden (BSG Urteil vom 12. 7. 2012, B 14 AS 35/12 R).

2. Eine Klage ist bei fehlender Berechtigung, den Anspruch in eigenem Namen geltend zu machen, unzulässig. Ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist nicht berechtigt, die Ansprüche der anderen Mitglieder für diese oder als eigenes Recht im Klageweg geltend zu machen.

3. Im Übrigen kommen als Unterkunftskosten nach § 22 SGB 2 nur die vertraglich geschuldeten Zinsen i. S. des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht. Die auf der Grundlage eines gekündigten Darlehensvertrags geltend gemachten Aufwendungen sind keine Kosten der Unterkunft und Heizung i. S. des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2. Anderenfalls würde die Allgemeinheit über die Leistungen nach dem SGB 2 letztlich für Schulden Hilfebedürftiger aufkommen (LSG Essen Beschluss vom 19. 10. 2005, B 14 AS 79/09).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.12.2019; Aktenzeichen B 14 AS 26/18 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin ein Anspruch auf Gewährung von weiteren Kosten für die Unterkunft und Heizung durch Übernahme von Leistungen für gekündigte Darlehen für die Finanzierung einer Immobilie im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zusteht.

Die Klägerin bewohnt mit ihren minderjährigen Kindern, ... und ..., ein Eigenheim in der ..., ... Die Klägerin hatte am 29.11.1993 zur Finanzierung der Immobilie mit der Volksbank ... eG einen Darlehensvertrag (Nr 51006274) über einen Gesamtbetrag von 300.401,93 DM (153.593,07 EUR) abgeschlossen. Dieser Vertrag wurde durch die Gläubigerin wegen Zahlungsverzug zum 23.01.1996 gekündigt; das Vertragsverhältnis wird seither rückabgewickelt. Gemäß einer Teilzahlungsvereinbarung vom 16.09.2004 erbringt die Klägerin aufgrund der Vertragsbeendigung Ratenzahlungen iHv monatlich 435,- EUR an die Bank. Diesen Zahlungen liegen die Schuldaufstellungen vom 28.02.1996 und 30.08.2005 zugrunde, in denen die Hauptforderung und Zinsen aus der Hauptforderung im Einzelnen aufgeführt sind. Ausweislich einer Forderungsaufstellung der Inkassoabteilung des Kreditinstituts 30.07.2009 wird die aufgrund der Teilzahlungsvereinbarung vom 16.09.2004 geleistete Rate iHv 435,- EUR monatlich nur auf die Hauptforderung angerechnet; letztmalig im November 2008. Danach werden die Zahlungen wegen Erlöschens der Hauptforderung ab Dezember 2008 auf die Zinsen gebucht. Mit dem Bescheid vom 03.09.2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 28.05.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin und deren Tochter für den Zeitraum vom 01.10.2008 - 28.02.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung, wobei die Ratenzahlungen iHv monatlich 435,- EUR nicht als Unterkunftsbedarfe anerkannt wurden. Auch für die folgenden Bewilligungszeiträume vom 01.03.2009 - 31.08.2010 wurden die Ratenzahlungen bei der Leistungsgewährung nicht berücksichtigt (Bescheid vom 03.03.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14.05.2009, 28.05.2009, 24.08.2009; Bescheid vom 29.01.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 09.03.2012; Bescheid vom 18.02.2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 28.05.2010, 23.11.2010 und 05.03.2012). Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin Widersprüche, mit denen sie geltend machte, dass der Beklagte die monatlichen Ratenzahlungen iHv 435,- EUR zu Unrecht nicht als Unterkunftskosten berücksichtigt habe. Diese Aufwendungen seien jedoch als Schuldzinsen vom Grundsicherungsträger zu übernehmen. Mit den Widerspruchsbescheiden vom 08.06.2011, 02.04.2012, 03.04.2012 und 05.04.2012 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin hinsichtlich der geltend gemachten Unterkunftskosten zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die von der Klägerin an die Volksbank erbrachten Ratenzahlungen nicht als Unterkunftskosten zu berücksichtigen seien, da es sich nicht um Schuldzinsen aus einem bestehenden Darlehensvertrag handle. Der unter dem 29.11.1993 mit der Volksbank ... eG geschlossene Darlehensvertrag Nr 51006274 sei bereits zum 23.01.1996 von Seiten der Volksbank gekündigt worden. Nach Mitteilung der Volksbank seien ab dem Zeitpunkt der Kündigung die Hauptforderung fällig gestellt worden und sodann Verzugszinsen nach den gesetzlichen Vorgaben angefallen. Soweit aus den Schuldenaufstellungen ...

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