Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Direktabrechnung. Richtlinie über Abrechnungsverfahren mit sonstigen Leistungserbringern. einstweilige Anordnung. Fehlen. Anordnungsgrund. Existenzgefährdung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage des Anspruchs auf Direktabrechnung aus der Richtlinie der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs 2 SGB 5 iV mit der Selbstbindung der Verwaltung oder dem Grundsatz venire contra factum proprium.
2. Zum Fehlen eines Anordnungsgrundes bei nicht glaubhaft gemachter Existenzgefährdung.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 100.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragstellerin bei Belieferung von Vertragsärzten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg mit Artikeln des nicht apothekenpflichtigen Sprechstundenbedarfs (SSB) weiterhin im Wege des Direktabrechnungsverfahrens mit der Antragsgegnerin abrechnen kann. Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben eine der bundesweit führenden Lieferanten von nicht apothekenpflichtigem Sprechstundenbedarf und entwickelt, produziert und vertreibt Medizin- und Hygieneprodukte. In Deutschland beschäftigt das Unternehmen 826 Mitarbeiter. Die Antragstellerin gehört als Tochterunternehmen zur L. & R. International GmbH & Co. KG. Weitere Tochterunternehmen des Konzerns sind der R. C. P. W. und die L. & R. GmbH W.. Neben den Hauptstandorten in Deutschland und Österreich ist L. & R. - wie ihrem Internetauftritt zu entnehmen ist -in weiteren 17 Ländern der Welt vertreten und erzielt ein Umsatzvolumen von über 376 Millionen € (www. L.& R..de). Die Antragsgegnerin vertreibt die von ihr hergestellten Produkte über Händler und direkt. Der Direktvertrieb erfolgt zum einen an Krankenhäuser sowie an den niedergelassenen Bereich (Ärzte, Apotheken, Sanitäts- und medizinischer Fachhandel und Großhandel) sowie für die Industriekunden (www. L.& R..de).
Nach der Vereinbarung über die vertragsärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf vom 18.01.2006 zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) und der AOK Hamburg, dem BKK Landesverband Nord, der Innungskrankenkasse Hamburg, der Krankenkasse für den Gartenbau, der See-Krankenkasse, dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V., dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassenverband e.V, sowie dem Sozialhilfeträger Freie und Hansestadt Hamburg ist der Sprechstundenbedarf für Anspruchsberechtigte der vertragsschließenden Krankenkassen zu Lasten der Antragsgegnerin zu verordnen. Die Antragstellerin liefert SSB im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) auf entsprechende ärztliche Verordnung direkt an die Ärzte und rechnet diese Leistungen unmittelbar mit der Antragsgegnerin ab. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zur Direktabrechnung - wie z.B. ausdrücklich im Bereich Nordrhein - existiert für den Bereich der KVH nicht. Seit Mitte 2005 führt die Staatsanwaltschaft KOBLENZ wegen des Verdachts der Untreue bzw. des Betruges ein Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Vorstandes sowie einen Verkaufsmitarbeiter der Antragstellerin. Hintergrund ist die Frage der Lieferung und Abrechnung von sogenannten Kitpacks (OP-Sets).
Mit Schreiben vom 27.02.2007 teilte die Landesgeschäftsstelle Nord der Antragsgegnerin der Antragstellerin folgendes mit: “...aufgrund staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen Sie im Zusammenhang mit der Lieferung von Sprechstundenbedarf (SBB) an Vertragsärzte ist das Vertrauensverhältnis zu Ihnen gestört. Deshalb beenden wir das Direktabrechnungsverfahren mit Ihnen bei der Belieferung von Vertragsärzten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg mit Artikeln des nicht apothekenpflichtigen SSB zum 31.03.2007. Nehmen Sie bitte die Abrechnung von SSB ab dem 01.04.2007 mit denen von Ihnen belieferten Vertragsärzten vor.„ Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 07.03.2007 Widerspruch ein. Eine Entscheidung der Antragsgegnerin hierüber liegt noch nicht vor. Ebenso zum 31.03.2007 haben die Landesverbände Brandenburg (SG Potsdam - S 1 KA 30/07 ER), Sachsen (SG Dresden - S 18 KR 142/07 ER) und Sachsen-Anhalt (SG Magdeburg - S 13 KR 103/07 ER) der Antragsgegnerin die Direktabrechnung beendet.
Am 12.03.2007 hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht KOBLENZ beantragt. Mit Beschluss vom 20.03.2007 hat das Sozialgericht KOBLENZ den Rechtsstreit an das Sozialgericht Hamburg verwiesen.
Die Antragstellerin trägt vor, bei dem Schreiben vom 27.02.2007 handele es sich um einen Verwaltungsakt. Dementsprechend habe der Widerspruch gemäß § 86 a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufschiebende Wirkung. Aber auch wenn man dieses Schreiben nicht als Verwaltungsakt ansehe, habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Unterlassen der einseitigen Beendigung bzw. des Boykotts durch die Antragsgegnerin. Der Ausschluss vom Direktabrechnungsverfahren sei ei...