Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass. Sicherungsanordnung. sonstiger Leistungserbringer. vorläufige weitere Teilnahme am Direktabrechnungsverfahren für nicht apothekenpflichtigen Sprechstundenbedarf
Leitsatz (amtlich)
Zum Erlass einer Sicherungsanordnung unter Auflagen, durch die einem Lieferanten nicht apothekenpflichtigen Sprechstundenbedarfs für an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte vorläufig die weitere Teilnahme am Direktabrechnungsverfahren mit den Krankenkassen gestattet wird.
Tenor
I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Antragstellerin weiterhin zur Direktabrechnung des von der Antragstellerin an Vertragsärzte im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen gelieferten nicht apothekenpflichtigen Sprechstundenbedarfs für Mitglieder und Familienversicherte der Arbeiter- und Angestellten-Ersatzkassen zuzulassen.
II. Die Anordnung ergeht unter der Auflage, dass es die Antragstellerin bis zur einer anderslautenden rechtsverbindlichen Feststellung durch eine die Beteiligten bindende vertragliche Vereinbarung oder eine vollziehbare sozialgerichtliche Hauptsacheentscheidung unterlässt, im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen sterilisierungspflichtige Sprechstundenbedarfsartikel, die nicht einzeln sterilisiert sind, in nicht oder nur insgesamt sterilisierten OP-Sets (insbesondere im OP-Komponentensystem K-pack ®) zu liefern und gegenüber der Antragsgegnerin als Sprechstundenbedarf abzurechnen.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird die Antragstellerin verpflichtet, an die Antragsgegnerin einen Betrag von 5.000,00 EUR zur Verrechnung mit den Ausgaben für an Vertragsärzte im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen gelieferten nicht apothekenpflichtigen Sprechstundenbedarf für Mitglieder und Familienversicherte der Arbeiter- und Angestellten-Ersatzkassen zu zahlen.
Das Gericht kann bei Zuwiderhandlung gegen die Auflage die Anordnung unter Ziffer I auf Antrag aufheben oder ändern.
III. Im Übrigen wird der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.
IV. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin 3/4, die Antragstellerin 1/4.
V. Der Streitwert wird auf 455.490,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin produziert und vertreibt, eingebunden in einen international tätigen Konzern, ein breites Sortiment an Medizinprodukten, unter Anderem nicht apothekenpflichtigen Praxis- und Sprechstundenbedarf für an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte.
Im Freistaat Sachsen ist nach § 1 Abs. 1 der für alle an der vertragsärztlichen Versorgung in Sachsen teilnehmenden Ärzte geltenden Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf vom 01.01.1998 (Sprechstundenbedarfsvereinbarung) der für die ambulante Behandlung von Mitgliedern und Familienversicherten der Angestellten- und Arbeiter-Ersatzkassen ärztlich verordnete Sprechstundenbedarf zu Lasten der Antragsgegnerin zu verordnen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung gelten als Sprechstundenbedarf nur solche Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung in der Sprechstunde angewendet werden oder bei Notfällen für mehr als einen Berechtigten zur Verfügung stehen müssen.
Nach § 1 Nr. 1.6 der Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs. 2 SGB V über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens mit "Sonstigen Leistungserbringern" sowie Hebammen und Entbindungspflegern (§ 301a SGB V) zählen zu den "Sonstigen Leistungserbringern" auch Direktlieferanten von Arznei- und Verbandmitteln einschließlich von Sprechstundenbedarf. Die Abrechnung der Direktlieferanten von Arznei- und Verbandmitteln und von Sprechstundenbedarf erfolgt entsprechend dem Verfahren gemäß der Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. Diese Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V regelt unter Anderem Einzelheiten der Direktabrechnung zwischen Apotheken und Krankenkassen (vgl. insbesondere § 6 und § 8).
Auf Grundlage dieser oder vergleichbarer Regelungen in anderen Ländern hat die Antragstellerin in der Vergangenheit einen wesentlichen Teil ihres Umsatzes an Sprechstundenbedarfsartikeln im Wege der Direktlieferung an die verordnenden Ärzte und Direktabrechnung mit den hierfür zuständigen Krankenkassen - in Sachsen für den Ersatzkassenbereich die Antragsgegnerin - erzielt.
Seit Mitte 2005 ermittelt die Staatsanwaltschaft K. gegen Mitarbeiter der Antragstellerin sowie bundesweit gegen 527 Ärzte. Den Mitarbeitern der Antragstellerin wird vorgeworfen, Ärzten die als Sprechstundenbedarf georderten Artikel in OP-Sets, sog. K-packs ® (vgl. die Produktbeschreibung unter http://www.[…].html und die ...