Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht: Zuerkennung des Merkzeichens “G" bei Bewegungseinschränkungen. Gesundheitsstörungen durch ein Fibromyalgiesyndrom als ausreichende Grundlage für die Zuerkennung des Merkzeichens

 

Orientierungssatz

Eine entzündlich-rheumatische Erkrankung mit Auswirkungen auch auf die unteren Gliedmaßen (hier: Fibromyalgiesyndrom), für die ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt wurde, berechtigt nicht zur Zuerkennung des Merkzeichens “G„ wegen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, selbst wenn der für den Betroffenen festgestellte Gesamt-GdB wegen weiterer, nicht den Bewegungsapparat betreffender Erkrankungen, größer als 50 festgestellt wurde.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung des Merkzeichens "G".

Er stellte am 25.09.2008 einen Erstantrag nach dem Schwerbehindertenrecht. Nach der Einholung von Befundberichten seiner behandelnden Ärzte und deren Auswertung durch den versorgungsärztlichen Dienst stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12.02.2009 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 fest. Hierbei berücksichtigte sie eine psychische Störung mit einem Teil-GdB von 40 und ein Fibromyalgiesyndrom mit einem Teil-GdB von 10.

Im nachfolgenden Neufeststellungsverfahren stellte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2010 einen Grad der Behinderung von 50 fest. Die Erhöhung beruhte darauf, dass die psychische Störung nunmehr mit einem Teil-GdB von 50 und das Fibromyalgiesyndrom mit einem Teil-GdB von 20 bewertet wurde. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G lehnte die Beklagte ab, da der Kläger nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre.

Am 14.03.2014 beantragte der Kläger die Neufeststellung seines GdB und die Feststellung des Merkzeichens "G".

Die Beklagte holte aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers ein. Nach der Auswertung dieser Befunde durch Dr. K. erließ die Beklagte am 19.06.2014 einen Neufeststellungsbescheid, in dem ein GdB von 60 anerkannt wurde. Im Einzelnen wurden folgende Gesundheitsstörungen berücksichtigt: 1. Psychische Störung (Teil-GdB 50) 2. Entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung, Fibromyalgiesyndrom (Teil-GdB 30) 3. Funktionsstörung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) 4. Bluthochdruck (Teil-GdB 10).

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und merkte an, dass aus seiner Sicht die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms falsch sei. Vielmehr liege eine seronegative rheumatoide Arthritis vor. Auch müsse das Merkzeichen G festgestellt werden, da er nicht mehr in der Lage sei, eine Strecke von zwei Kilometern in etwa einer halben Stunde zu gehen. Dies hänge vor allem mit seiner Depression und den Erschöpfungszuständen zusammen.

Die Beklagte holte weitere Befundberichte von Frau S. und Dr. L. ein und wies den Widerspruch im Anschluss daran mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2014 zurück. Die Gesundheitsstörungen bezeichnete sie nunmehr wie folgt: 1. Psychische Störung (Teil-GdB 50) 2. Entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung (Teil-GdB 20) 3. Funktionsstörung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) 4. Bluthochdruck (Teil-GdB 10).

Mit seiner am 30.10.2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zunächst hat er die Feststellung eines GdB von 80 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G beantragt. Er hält vor allem die rheumatoide Arthritis für zu gering bewertet, da er seit Jahren einen TNF Blocker nehmen müsse. Aufgrund dessen sei er oft erkältet, könne schlecht durch die Nase atmen, fühle sich schwach und schlafe nur selten richtig durch. Zusätzlich habe er noch zwei Bandscheibenvorfälle und immer wieder starke Schmerzen an den Lendenwirbeln.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Einholung eines rheumatologischen Gutachtens von Amts wegen beantragt. Einen Antrag nach § 109 SGG hat er ausdrücklich nicht gestellt. Außerdem hat er seinen Klagantrag auf die Feststellung des Merkzeichens G beschränkt.

Er beantragt nunmehr, den Bescheid der Beklagten vom 19.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2014 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, bei ihm ab dem 14.03.2014 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung nimmt sie auf den Akteninhalt und die in den angefochtenen Bescheiden dargelegten Gründe Bezug. Das Klagvorbringen führe zu keiner günstigeren Beurteilung.

Das Gericht hat zunächst Befundberichte von Dr. L. und Frau S. angefordert und im Anschluss daran ein fachärztliches Gutachten von Herrn W. eingeholt. Herr W. hat den Kläger am 07.09.2015 untersucht. Der Kläger hat die 14 Treppenstufen zur Praxis auf- und abwärts im Wechselschritt mit Festhalten zurückgelegt und sich innerhalb der Praxisräume mit einem gleichmäßigen, flüssigen und unbeeinträchtigtem Gangbild bewegt. Auch auf dem Weg zur S-Bahn nach Ende der Untersuchung konnte der ...

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