Tenor

1. Der Bescheid vom 01.08.2022 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.09.2022 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.358,03 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozent seit dem 11.08.2022 zu zahlen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

4. Der Streitwert wird auf 1.358,03 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung eines Aufschlages in Höhe von 1.358,03 Euro und dabei über den zeitlichen Anwendungsbereich der zugrundeliegenden Vorschrift § 275c Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Die Klägerin ist ein zugelassenes Krankenhaus. Der bei der Beklagten zum Behandlungszeitpunkt versicherte Herr G. wurde vom 17.08.2021 bis zum 08.09.2021 im Hause der Klägerin stationär behandelt.

Die Klägerin erstellte für diese Behandlung gegenüber der Beklagten am 12.10.2021 eine Rechnung über 17.251,11 Euro, die sie per Datenträgeraustausch abrechnete. Diese Rechnung beglich die Beklagte zunächst vollständig. Am 22.10.2021 beauftragte sie den Medizinischen Dienst (MD) mit der Prüfung des Behandlungsfalles. Dies zeigte der MD gegenüber der Klägerin mit Prüfanzeige vom 25.10.2021 an. In seinem Gutachten vom 14.06.2022 beanstandete der MD die Abrechnung dahingehend, dass die kodierte Hauptdiagnose nicht korrekt gewesen sei.

Am 16.06.2022 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sich aus dem Gutachten des MD eine Rückforderung in Höhe von 2.716,06 Euro ergebe. Mit Bescheid vom 01.08.2022 setzte die Beklagte zudem eine Aufschlagzahlung in Höhe von 1.358,03 Euro auf der Grundlage ihrer leistungsrechtlichen Entscheidung fest.

Am 10.08.2022 verrechnete die Beklagte den geltend gemachten Aufschlagsbetrag mit anderen Forderungen.

Mit Schreiben vom 12.09.2022 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.08.2022 ein. Sie begründete den Widerspruch zum einen damit, dass der Bescheid bereits aufgrund der fehlenden Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und der nicht hinreichenden Bestimmtheit des Verwaltungsaktes formell rechtswidrig sei. Zum anderen mangele es an einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung, weshalb für den Widerspruch eine Frist von einem Jahr gelte. Darüber hinaus sei der Bescheid auch materiell rechtswidrig, da der zeitliche Anwendungsbereich des § 275c SGB V nicht eröffnet sei. Der Wortlaut des § 275c Abs. 3 SGB V stelle einen untrennbaren Sachzusammenhang zwischen der Prüfquote und dem Aufschlag her, da § 275c Abs. 3 SGB V die Zahlung der Aufschläge an die Prüfquoten in § 275c Abs. 2 SGB V knüpfe, wobei ausdrücklich auf die Prüfquoten abgestellt werde, die im Jahr 2022 gelten sollten. Eine Verknüpfung der Aufschläge mit den Prüfquoten der Jahre 2020 und 2021 erfolge nicht. Außerdem werde das anwendbare Recht nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach dem Aufnahmedatum des jeweiligen Patienten bestimmt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2022 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass eine fehlende Anhörung jedenfalls bis zur letzten Tatsacheninstanz gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X nachgeholt werden könne und der Bescheid daher nicht formell rechtswidrig sei. Außerdem sei der Bescheid auch materiell rechtmäßig, da die Aufschlagsberechnung auch auf stationäre Aufenthalte vor dem 01.01.2022 anwendbar sei. Die Beklagte verweist auf den Nachtrag vom 01.12.2021 zur Fortschreibung der § 301-Vereinbarung, wo es im Nachtrag 4 sowie in den Nachträgen zur Anlage 5 heiße, dass die Aufschlagzahlungen vollstationäre Krankenhausfälle mit Datum der leistungsrechtlichen Entscheidung der Krankenkassen ab dem 01.01.2022 betreffen.

Am 22.09.2022 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie trägt vor, dass die Regelung zur Zahlung eines Aufschlages auf den zugrundeliegenden Behandlungsfall nicht anwendbar sei. Der Wortlaut des § 275c Abs. 3 Satz 1 SGB V gebe keinen Hinweis, welches Ereignis konkret für den zeitlichen Anknüpfungspunkt „ab dem Jahr 2022“ entscheidend sei. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Zweck der Einführung des Prüfquotensystems und der darauf aufbauenden Aufschlagzahlung, einen Anreiz für eine regelkonforme Rechnungsstellung zu schaffen, dafürspreche, dass nur solche Behandlungsfälle einbezogen werden, bei denen die stationäre Aufnahme nach Beginn der Regelung, also am oder nach dem 01.01.2022 liege. Weiterhin deute auch die Systematik des § 275 Abs. 2 und 3 SGB V auf die Anknüpfung an das Aufnahmedatum hin, da § 275 Abs. 2 S. 2 SGB V für die Einführung des Prüfquotensystems in Abhängigkeit von dem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen regelt, dass dieses „ab dem Jahr 2022“ gelten soll. Die Prüfquoten wiederum stünden in unmittelbaren Zusammenhang mit den Regelungen zur Aufschlagzahlung gemäß § 275c Abs. 3 SGB V. Außerdem sei nach bisheriger Rechtsprechung des BSG das anwendbare Recht immer nach dem Aufnahmedatum des bisherigen Patienten bestimmt worden.

Ihre Rechtsansicht sieht die Klägerin durch die Rechtsprechung mehrerer Sozialgerichte bestätigt.

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