Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Regresses des Beschwerdeausschusses gegen den Vertragsarzt aufgrund einer Zielfeldprüfung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 106 Abs. 2 SGB 5 wird die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung geprüft durch arztbezogene Prüfungen anhand von Richtgrößen oder auf der Grundlage von Stichproben. Die Vertragspartner können erstmals für das Jahr 2007 indikationsbezogene Zielvereinbarungen zur Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere Prüfungsarten vereinbaren.

2. Dementsprechend können Regelungen zur Arznei- und Heilmittelvereinbarung für das Verordnungsjahr 2006 nicht auf § 84 Abs. 4a SGB 5 gestützt werden.

3. Ab dem Verordnungsjahr 2007 ergibt sich aus § 84 SGB 5 keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für eine Vereinbarung von Durchschnittskosten je definierter Dosiseinheit bzw. für entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit. Damit entfällt zugleich eine Rechtsgrundlage für einen auf eine solche Vereinbarung gestützten Regress gegen einen Vertragsarzt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.09.2016; Aktenzeichen B 6 KA 44/15 R)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 10.08.2011 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Dabei sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht erstattungsfähig.

3. Der Streitwert wird auf 3.493,30 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Regress aufgrund einer Zielfeldprüfung für das Verordnungsjahr 2006.

Die Klägerin war als Berufsausübungsgemeinschaft von Fachärzten für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie in der vertragsärztlichen Versorgung in H. tätig.

Mit Schreiben vom 27.04.2010 informierte die Gemeinsame Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in H. die Klägerin, dass sie nach Überschreitung der Ausgabenvolumina für Arznei- und Heilmittel im Verordnungsjahr 2006 die daraus resultierenden Regressansprüche der Krankenkassen gemäß § 19 der H. Prüfvereinbarung festzustellen habe. Die Klägerin habe die für das Verordnungsjahr 2006 vertraglich vereinbarten Zielvorgaben nicht erreicht. Bei der Zielgruppe cardioselektive Betablocker sei der Zielwert um 28,25 % (brutto 4.189,61 Euro) und bei der Zielgruppe Tilidinkombinationen um 15,1 % (brutto 256,77 Euro) überschritten. Die Klägerin erhalte Gelegenheit, innerhalb von vier Wochen eine Stellungnahme abzugeben und insbesondere mitzuteilen, ob Besonderheiten für einzelne Patienten oder Patientengruppen geltend gemacht werden, die bei entsprechender Indikation eine Verordnung höherpreisiger Arzneimittel rechtfertigen könnten. Dem Schreiben war eine Tabelle beigefügt, in der die in den betroffenen Zielgruppen verordneten Arzneimittel mit Pharmazentralnummer (PZN), dem Code nach dem Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen Klassifikationssystem (ATC-Code), Wirkstoff, Hersteller, Name, Darreichungsform, Packungsinhalt, Anzahl der verordneten Packungen, Ausgaben, verordneten definierten Tagesdosen (DDD), Kosten je DDD und dem Zielwert Kosten je DDD aufgeführt waren.

Mit Bescheid vom 25.10.2010 setzte die Gemeinsame Prüfungsstelle einen Regress in Höhe von netto 3.493,30 Euro für die Zielwertüberschreitung bei der Verordnung der Arzneimittelgruppen cardioselektive Betablocker (netto 3.371,80 Euro) und Tilidinkombinationen (netto 121,50 Euro) fest. Zur Begründung war ausgeführt, die Zielwerte seien von den Landesverbänden der Krankenkassen und der KV H. anhand definierter Tagesdosen festgelegt. Die Vereinbarungen seien ein Bestandteil der Arzneimittelprüfungen 2006. Da das vereinbarte Ausgabenvolumen für die insgesamt von den H. Vertragsärzten veranlassten Leistungen für das Verordnungsjahr 2006 überschritten worden seien, seien die Zielfeldprüfungen durchzuführen gewesen. Die gesetzten Ziele seien so gewählt, dass Spielraum für individuelle Therapieentscheidungen bestehe. Voraussetzung für den Austausch von Präparaten sei die im Einzelfall zu prüfende medizinische Unbedenklichkeit. Lägen keine zwingenden medizinischen Gründe für eine Überschreitung der Zielvorgaben vor, seien die damit verbundenen höheren Verordnungskosten vom Vertragsarzt zu verantworten. Es habe allerdings keine patientenbezogene Überprüfung der Verordnungen vorgenommen werden können, da die Übermittlung dieser Daten vertraglich nicht geregelt sei. Die Klägerin habe zur Überschreitung keine Stellungnahme abgegeben. Dies müsse zu ihrem Nachteil ausgelegt werden, weil es an ihr gewesen wäre, etwaige Gründe, die zur Zielwertüberschreitung geführt haben, im Einzelnen darzulegen. Durch eine Neuberechnung für die seit 01.07.2006 gültigen Zielfelder habe sich die Höhe der Zielwertverfehlungen zugunsten der Klägerin verändert.

Die Klägerin erhob mit am 29.10.2010 eingegangenem Schreiben Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.10.2010.

Mit Beschluss vom 10.08.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zunächst sei auf die Korrektur der mit Schreiben vom 27.04.2010 übersandten PZN-Liste hinzuweisen...

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