Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Besuch einer Tagesförderstätte. Erreichen der Regelaltersgrenze. keine Änderung der Verhältnisse
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für den Besuch einer Tagesförderstätte endet nicht per se mit Erreichen der Regelaltersgrenze und dies stellt keine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 SGB 10 dar.
2. Eingliederungshilfe, die jedenfalls keine Leistungen zur Eingliederung in das Arbeitsleben betrifft, ist so lange zu gewähren, wie die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann und ein entsprechender Bedarf besteht - gegebenenfalls lebenslang (vgl VGH München vom 27.12.2005 - 12 B 03.2609 = RdLH 2006, 65 und VG Greifswald vom 12.7.2006 - 5 A 1897/03).
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Bewilligung von Leistungen für die Beschäftigung in einer Tagesförderstätte aufgehoben wird.
Der 1940 geborene Kläger besucht seit dem Jahr 1967 die Tagesstätte F., ehemals Tagesstätte S., und lebt in der Wohngruppe N. Dorf der “L. gemeinnützige GmbH„.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass dem Kläger mit einem Bescheid aus dem Jahr 1967 “bis auf weiteres„ Leistungen der Eingliederungshilfe für eine Beschäftigung in einer Tagesförderstätte gemäß §§ 39,40 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bewilligt worden waren.
Mit Bescheid vom 06.04.2004 wurde dieser Bewilligungsbescheid aufgehoben und mit Bescheid vom 07.04.2004 wurde die weitere Kostenübernahme für den Besuch der Tagesstätte nur noch bis zum X..X..2005 bewilligt. Dies wurde damit begründet, dass die unbefristete Bewilligung von Maßnahmen nicht mehr zulässig sei. Das Arbeitsleben auf dem sog. ersten Arbeitsmarkt ende spätestens mit dem Erreichen des 65. Lebensjahres. Dies gelte ebenfalls für Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen in einer Werkstatt für Behinderte und auch für Beschäftigte in einer Tagesförderstätte.
Hiergegen erhob der Kläger am 05.05.2004 Widerspruch, der mit Schreiben vom 28.08.2004 begründet wurde: Die Beschäftigung in der Tagesförderstätte bedeute für den Kläger soziale Akzeptanz und ermögliche ihm die aktive Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft. Es sei zu befürchten, dass der Kläger auf die Beendigung der Tagesförderung mit sozialem Rückzug reagieren werde und ein starker Abbau seiner Fähigkeiten sowie Vereinsamung einträten. In der Wohngruppe, in der der Kläger lebe, würden keine tagesstrukturierenden Maßnahmen angeboten, worauf der Kläger jedoch angewiesen sei. Als Anlagen wurde eine Stellungnahme von Mitarbeitern der Wohngruppe vom 29.06.2004 sowie eine Stellungnahme von Mitarbeitern der Tagesstätte F. vom 05.07.2004 beigefügt.
In der Stellungnahme der Mitarbeiter der Wohngruppe ist ausgeführt, dass der Besuch der Tagesstätte ein wichtiger Bestandteil des Lebens des Klägers sei. Ihm werde damit eine Alltagsstruktur geboten und sein Selbstwertgefühl werde gefestigt und gefördert. Würde der Kläger tagsüber in der Wohngruppe bleiben, so hätte dies sicherlich negative Auswirkungen auf die erworbenen Fähigkeiten des Klägers. In der Wohngruppe würden keine tagesstrukturierenden Maßnahmen angeboten. Der Kläger wäre tagsüber alleine in der Wohngruppe, da seine zum Teil deutlich jüngeren Mitbewohner in Werkstätten oder Tagesstätten beschäftigt seien. In der Stellungnahme der Tagesstätte F. wird dargelegt, dass der Besuch der Tagesstätte für die geistige und körperliche Entwicklung, die sozialen Kontakte sowie die Teilnahme des Klägers am gesellschaftlichen Leben von großer Bedeutung sei. Die Wohngruppe könne eine entsprechende, adäquate Angebotsstruktur nicht bieten.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2005 den Widerspruch als unbegründet zurück: Gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Die Kostenübernahme für die Beschäftigung in der Tagesförderstätte sei ursprünglich unbefristet als Dauerverwaltungsakt gewährt worden. Im Erreichen des 65. Lebensjahres durch den Kläger liege eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, da dann das Rentenalter beginne. Dem Kläger stehe ab dem 01.10.2005 kein Anspruch auf weitere Kostenübernahme für die Beschäftigung in einer Tagesförderstätte zu.
Rechtsgrundlage für Leistungen für die Beschäftigung in einer Tagesförderstätte seien die §§ 39, 40 BSHG / §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt, wenn sie die Weiterbewilligung der Tagesförderung aus Altergründen abgelehnt habe. Ziel der Beschäftigung in einer Tagesförderstätte sei die Eingliederung in das Arbeitsleben. Daher sei der Besuch einer Tagesförderstätte bei Personen, die bereits das Rentenalter erreicht oder überschritten h...