Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Krankenhilfe bei nicht Krankenversicherungspflichtigen. Behandlungsschein. Höhe des Aufwendungsersatzes. Zumutbarkeit. keine Pauschalierung. begründeter Fall. Anwendungsbereich des § 264 Abs 2 SGB 5
Leitsatz (amtlich)
1. Wird Krankenhilfe trotz vorhandenen Einkommens in Form der erweiterten Hilfe durch Aushändigung eines Behandlungsscheins gewährt, so kann der Sozialhilfeträger vom Hilfeempfänger grundsätzlich einen Aufwendungsersatz in der Höhe verlangen, in der dem Hilfeempfänger die Aufbringung der Mittel zumutbar ist. Ein Eigenanteil kann jedoch nur für die tatsächlichen Aufwendungen des Sozialhilfeträgers gefordert werden.
2. Rechnet der Sozialhilfeträger mit der kassenärztlichen Vereinigung “spitz„ ab, so bestehen diese Aufwendungen in dem Betrag, der für die ärztliche Behandlung des jeweiligen Hilfeempfängers gezahlt wird. Dementsprechend ist es nicht zulässig, für die Forderung des Eigenanteils als Aufwendungen des Sozialhilfeträgers eine Pauschale pro Behandlungsschein zugrunde zu legen.
Orientierungssatz
1. Ein begründeter Fall des § 29 BSHG liegt insbesondere dann vor, wenn ohne eine volle Kostenübernahme des Sozialhilfeträgers die notwendige Hilfe gefährdet wäre (vgl BVerwG vom 30.10.1979 - 5 C 39/78 = FEVS 28, 139).
2. Hilfebedürftige, die vom Sozialhilfeträger ausschließlich Leistungen der Krankenhilfe erhalten, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 264 Abs 2 SGB 5.
Tenor
1. Der Bescheid vom 30.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2006, der Bescheid vom 30.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2006 und der Bescheid vom 18.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.07.2006 werden aufgehoben, soweit der Kläger darin zu einem Kostenbeitrag herangezogen wird.
2. Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich dagegen, dass er von der Beklagten zu einem Kostenbeitrag zu der ihm gewährten Krankenhilfe herangezogen wird.
Der 1934 geborene Kläger, der mit seiner Ehefrau zusammenlebt, bezog im streitgegenständlichen Zeitraum in den Jahren 2004 und 2005 keine laufenden Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bzw. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII). Seit Anfang 2004 wurde die Krankenbehandlung des Klägers zunächst gemäß § 264 Abs. 2 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) durch die Beigeladene erbracht, die ihre Aufwendungen wiederum von der Beklagten erstattet bekam. Nachdem die Beigeladene davon erfahren hatte, dass der Kläger nicht im Bezug laufender Sozialhilfeleistungen steht, beendete sie Mitte 2004 die Behandlung des Klägers. Seitdem erhielt der Kläger Leistungen der Krankenhilfe von der Beklagten.
Diese wurden entsprechend der üblichen Praxis der Beklagten erbracht. Danach erhalten die Hilfeempfänger von der Beklagten einen Behandlungsausweis, der jeweils für ein Quartal gültig ist und unter Vorlage dessen sie sich bei einem Arzt behandeln lassen können. Die Beklagte als Sozialhilfeträger hat am 12.2.1993 einen Vertrag mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) geschlossen. In diesem ist geregelt, dass die Ärzte die Leistungen, die sie den Krankenhilfeempfängern bei Vorlage eines Behandlungsausweises erbringen, nach den für die vertragsärztliche Versorgung gültigen Bestimmungen mit der KVH abrechnen. Die KVH ermittelt die Summe dieser Beträge und fordert sie von der Beklagten als Gesamtvergütung an. Die Beklagte leistet die Gesamtvergütung an die KVH mit befreiender Wirkung, die KVH verteilt die Gesamtvergütung nach ihrem Honorarverteilungsmaßstab auf die Ärzte. Gegenüber den Hilfeempfängern prüft die Beklagte, ob ein Kostenbeitrag zu erbringen ist. Für die Berechnung dieses Kostenbeitrags setzt sie den “Leistungsumfang„ der Leistung “Behandlungsausweis„ unabhängig davon, in welchem Ausmaß der Hilfeempfänger tatsächlich ärztliche Leistungen in Anspruch nimmt, mit einem Betrag von 101,67 € an. Sodann wird ermittelt, ob der Hilfeempfänger diesen Betrag ganz oder teilweise aus seinem Einkommen zu erbringen hat. Der Betrag von 101,67 € entspricht dabei dem Betrag, den die Beklagte seit 1.1.2002 pro ausgestelltem Behandlungsausweis bei der Abrechnung von Erstattungsforderungen gegenüber dem Bund und anderen Kostenträgern (z.B. auswärtigen Sozialhilfeträgern) ansetzt (vgl. die Konkretisierung der Beklagten zu § 48 SGB XII, Behandlungspauschalen für die Abrechnung von Arzt- und Medikamentenkosten vom 1.1.2005, Az.: SI 2304/133.70-3).
Ende Juni 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ohne schriftlichen Bescheid Krankenhilfe in Form eines Behandlungsscheines für ärztliche Behandlung für das dritte Quartal 2004. Mit Bescheid vom 30.6.2004 forderte die Beklagte den Kläger auf, für diesen Behandlungsschein einen Eigenanteil in Höhe von 101,67 € zu zahlen. Hiergegen erhob der Kläger am 9.8.2004 Widerspruch.
Mit Bescheid vom 30.3.2005 bewillig...