Entscheidungsstichwort (Thema)

Untätigkeitsklage. Untätigkeit der Widerspruchsbehörde. zureichender Grund iS des § 88 Abs 1 SGG. Vertragsarztrecht. Richtgrößenprüfung. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren

 

Orientierungssatz

Zur Untätigkeitsklage wegen Untätigkeit einer Widerspruchsbehörde (hier im Hinblick auf eine Richtgrößenprüfung im Vertragsarztrecht).

 

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers vom 19.10.2007 gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses Niedersachen vom 16.10.2007 zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.766,88 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens ist eine Untätigkeitsklage mit der die Entscheidung des Beklagten im Vorverfahren über einen Richtgrößenregress für das Jahr 2005 begehrt wird.

Der Kläger ist Hausarzt und war im Jahr 2005 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Bescheid vom 01.08.2007 setzte der Prüfungsschuss Niedersachsen gegenüber dem Kläger wegen Überschreitung der Richtgrößen für 2005 einen Regress in Höhe von 11.067,53 EUR fest.

Gegen diesen Beschluss ließ der Kläger am 19.10.2007 Widerspruch erheben. Den Eingang des Widerspruchs bestätigte der Beschwerdeausschuss dem damaligen Prozessbevollmächtigen mit Schreiben vom 12.11.2007 und forderte den Kläger zu einer Begründung seines Widerspruchs auf. Mit Schreiben vom 18.01.2009 begründete der Kläger seinen Widerspruch persönlich. Mit Schreiben vom 26.02.2009 übersandte der Beklagte dem Kläger die Einzelverordnungsstatistik für das Jahr 2005. Eine ergänzende Begründung gab der Kläger mit Schreiben vom 25.04.2010 ab. Mit Schriftsatz vom 03.08.2012 erfolgte eine weitere Begründung durch die spätere Prozessbevollmächtigte. Zugleich wurde dem Beklagten eine Frist zur Entscheidung über den Widerspruch bis zum 31.08.2012 gesetzt und auf die Entscheidungsfrist des § 88 SGG hingewiesen.

Am 26.09.2012 ließ der Kläger Klage erheben. Ist der Ansicht, dass der Beklagte nicht innerhalb angemessener Frist über seinen Widerspruch entschieden hat.

Das SG Hannover hat das Verfahren mit Beschluss vom 12.07.2013 ausgesetzt und dem Beklagten eine Frist zur Entscheidung über den Widerspruch bis zum 31.10.2014 gesetzt. Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde hat das LSG Niedersachsen Bremen mit Beschluss vom 20.12.2013 den Beschluss des SG Hannover aufgehoben und ausgeführt, dass der Beklagte keine zureichenden Gründe für eine verspätete Entscheidung vorgebracht habe.

Der Kläger beantragt wörtlich,

den Beklagten zu verurteilen, den Widerspruch des Klägers vom 19.10.2007 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

 die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass hinreichende Gründe für eine spätere Entscheidung vorliegen.

Das Gericht hat die Beteiligten schriftlich zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten und den Inhalt der Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Gemäß § 105 SGG konnte das Gericht im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen hat, der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vor Erlass ordnungsgemäß gehört wurden.

Das Klagebegehren ist hier auf eine Bescheidung des Widerspruchs gerichtet und ist damit als Untätigkeitsklage im Sinne des § 88 SGG statthaft. Nichts anderes ergibt sich aus dem Klageantrag, in dem wörtlich eine Bescheidung “unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts„ beantragt wird. Der Klageantrag ist insoweit auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Denn eine Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts kann der Kläger nur im Rahmen der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage begehren, wenn er die fehlerhafte Ausübung von Ermessen bzw. Fehler bei der Ausübung von Beurteilungsspielräumen angreift. Dies ist hier ausweislich der Klagebegründung ersichtlich nicht gewollt. Der Klageantrag ist daher unter Berücksichtigung der Klagebegründung auszulegen.

Der Beklagte hat hier ohne zureichenden Grund nicht innerhalb angemessener Frist über den Widerspruch 16.10.2007 entschieden. Insoweit nimmt das Gericht vollumfänglich Bezug auf die Begründung des LSG Niedersachen-Bremen vom 20.12.2013. Neuer Vortrag ist von Beklagtenseite dazu nicht erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Zu den Verfahrenskosten zählen auch die Kosten des Beschwerdeverfahren beim LSG Niedersachsen-Bremen (L 3 KA 49/14 B).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1 S 1, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht folgt damit der Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen (vgl. etwa: Urt. v. 31.07.2013 - L 3 KA 29/12), wonach im Fall einer...

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