Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Aussetzung der Rentenanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2004 und der vollen Beitragszahlung der Rentner zur sozialen Pflegeversicherung ab 1.4.2004
Orientierungssatz
1. Die Neuregelung der alleinigen Beitragstragung zur sozialen Pflegeversicherung durch den Rentner nach § 59 Abs 1 S 1 SGB 11 idF vom 27.12.2003 ab 1.4.2004 verstößt nicht gegen Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1, Art 14 und Art 20 Abs 3 GG.
2. Die Aussetzung der Rentenanpassung zum 1.7.2004 verstößt nicht gegen Art 2 Abs 1, Art 14 Abs 1 und Art 20 Abs 3 GG.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Aussetzung der Rentenanpassung 2004 sowie die Belastung des Klägers mit dem vollen Pflegeversicherungsbeitrag ab 01. April 2004.
Der 1938 geborene Kläger bezog von der Beklagten zunächst Erwerbsunfähigkeitsrente und erhält seit 01. September 1998 Altersrente. Von seiner Rente behielt die Beklagte die Hälfte des Pflegeversicherungsbeitrages von insgesamt 1,7% ein, während die andere Hälfte von ihr übernommen wurde. Mit Bescheid vom 08. März 2004, den Prozessbevollmächtigen des Klägers zugegangen am 09. August 2004, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ab 01. April 2004 der Beitrag zur Pflegeversicherung von ihm allein zu tragen sei. Ferner lehnte die Beklagte einen mit Schreiben vom 30. Juni 2004 gestellten Antrag des Klägers auf Anpassung seiner Rente zum 01. Juli 2004 mit Bescheid vom 03. August 2004 ab. Die gegen beide Bescheide erhobenen Widersprüche des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2004 zurück.
Mit seiner am 01. Oktober 2004 vor dem Sozialgericht Hannover erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Ansicht, die Belastung mit dem vollen Pflegeversicherungsbeitrag sei ebenso verfassungswidrig wie die unterlassene Rentenanpassung zum 01. Juli 2004. Beide Maßnahmen verstießen insbesondere gegen Artikel 14 und Artikel 3 Grundgesetz (GG) sowie gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte. Der Kläger bezieht sich insoweit auf zwei rechtsgutachterliche Stellungnahmen des Prof. Dr. Friedhelm Hase zur Verfassungsmäßigkeit der Belastung der Rentner mit dem vollen Pflegeversicherungsbeitrag und zur Verfassungsmäßigkeit der Aussetzung der Rentenpassung für das Jahr 2004. Auf den Inhalt dieser Stellungnahmen wird verwiesen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
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1. |
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die Bescheide der Beklagten vom 08. März 2004 und 03. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2004 aufzuheben und |
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2. |
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die Beklagte zu verurteilen, über den 01. April 2004 hinaus den halben Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung zu zahlen sowie eine Rentenanpassung zum 01. Juli 2004 vorzunehmen. |
wegen grundsätzlicher Bedeutung die Sprungrevision zuzulassen
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
wegen grundsätzlicher Bedeutung die Sprungrevision zuzulassen.
Sie ist der Ansicht, die ergangenen Bescheide seien rechtmäßig.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 07. März 2006 und 30. März 2006 mit einer Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Die Akten sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Angesichts des Einverständnisses der Beteiligten konnte die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf weitere Übernahme des halben Beitrags zur gesetzlichen Pflegeversicherung gegen die Beklagte noch einen Anspruch auf Anpassung seiner Rente zum 01. Juli 2004.
1. Pflegeversicherungsbeitrag
Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 08. März 2004 die bisherigen Entscheidungen zur Belastung des Klägers mit lediglich der Hälfte des Pflegeversicherungsbeitrages gem. § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung ab 01. April 2004 aufgehoben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Der Gesetzgeber hat mit § 59 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der Fassung vom 27. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I/S. 3013) die Beitragspflicht der Rentner zur gesetzlichen Pflegeversicherung ab 01. April 2004 neu geregelt. Danach sind die Beiträge aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung von dem Mitglied allein zu tragen. Die bis zum 31. März 2004 geltende Regelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i. V. m. § 249a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ist ersatz- und übergang...