Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Sozialhilfeträger. Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 SGB 9. Kostenübernahme eines Therapiestuhls sowie einer Sitzschale im Rahmen der Zweitversorgung
Orientierungssatz
1. Die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 14 Abs 4 S 1 SGB 9 sind erfüllt, wenn der Versicherte die begehrte Leistung von der Krankenkasse nach den Vorschriften des SGB 5 als dem für den Bereich der GKV einschlägigen materiellen Recht beanspruchen konnte und die Krankenkasse den Leistungsantrag deshalb zu Unrecht an den Sozialhilfeträger weitergeleitet hat.
2. Eine Krankenkasse hat ihre Leistungspflicht nach § 33 Abs 1 SGB 5 mit der Bereitstellung eines ersten Therapiestuhls nur solange erfüllt, wie der Versicherte ganztags zu Hause lebt und noch nicht in den Kindergarten geht. Mit Beginn des Besuchs des Kindergartens hat der Versicherte einen Anspruch auf Ausstattung mit einem zweiten Zimmerfahrgestell sowie einer zweiten Sitzschale.
Tenor
Die Beklagte erstattet dem Kläger Aufwendungen für in Höhe von 2.439,99 € für das Hilfsmittel “Zimmerfahrgestell nebst notwendiger Umbaumaßnahme„ (Rechnung der Sanitätshaus vom 14. Dezember 2009) nebst 4% Zinsen hieraus seit 27. Dezember 2009 sowie in Höhe von 2.830,18 € für das Hilfsmittel “individuelle Sitzschale nach Formabdruck„ (Rechnung der Sanitätshaus vom 12. Oktober 2010) nebst 4% Zinsen hieraus seit 21. Februar 2011.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.270,17 € festgesetzt.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des klagenden Sozialhilfeträgers gegen die beklagte Krankenkasse auf Erstattung der Kosten für ein Zimmerfahrgestell nebst notwendiger Umbaumaßnahmen sowie für eine individuelle Sitzschale nach Formabdruck im Rahmen der Zweitversorgung zwecks Besuchs eines Kindergartens.
Der am X. geborene Versicherte X. ist wegen einer Entwicklungsverzögerung aufgrund eines Hirnschadens mit Cerebralparese und einer Tetraspastik nicht in der Lage, frei zu sitzen, zu stehen oder zu gehen. Die Beklagte versorgte ihn u.a. mit einem Rehabuggy und einem im häuslichen Bereich verwendeten Zimmerfahrgestell nebst individueller Sitzschale. Am 24. November 2009 wurde X. (im Alter von rund zweieinviertel Jahren) in den Schulkindergarten der X.-Schule, Schule und Schulkindergarten für körperbehinderte Kinder und Jugendliche, in X. aufgenommen (Bl. 11 der Akten des Beklagten). Mit Bescheid vom 10. Dezember 2009 stellte das staatliche X. fest, X. als förderbedürftig im Sinne des Schulkindergartens für Körperbehinderte anzusehen ist, und genehmigte dessen Besuch im Schulkindergarten (Bl. 10 der Akten des Beklagten). Derzeit ist X. Schüler an der X.-Schule.
Am 30. September 2009 beantragte der Versicherte, dessen Eltern seinerzeit von Elterngeld sowie von “Meister-Bafög„ lebten, bei der Beklagten unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung vom 24. September 2009 und eines Kostenvoranschlags der Sanitätshaus X. die Zweitversorgung mit einem weiteren Zimmerfahrgestell nebst notwendiger Umbaumaßnahmen zwecks Besuchs eines Kindergartens.
Die Beklagte leitete den Antrag an den nach ihrer Auffassung leistungsrechtlich zuständigen Kläger weiter, wo er am 2. Oktober 2009 einging.
Am 14. April 2010 beantragte der Versicherte (ebenfalls bei der Beklagten) unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung vom 8. Februar 2010 und eines Kostenvoranschlags der X. die Zweitversorgung mit einer individuellen Sitzschale nach Formabdruck zwecks Besuchs des Kindergartens. Sowohl das betreffende Zimmerfahrgestell als auch die dazugehörige Sitzschale sollten in der X.-Schule deponiert werden, weil ein täglicher Transport mit dem Fahrdienst nicht möglich war. Die Beklagte leitete auch diesen Antrag an den nach ihrer Auffassung leistungsrechtlich zuständigen Kläger weiter. Dort ging er am 16. April 2010 ein.
Der Kläger gewährte dem Versicherten die begehrten Hilfsmittel unter Hinweis auf seine nachrangige Leistungsverpflichtung als zweitangegangener Rehabilitationsträger gemäß § 14 SGB IX (Bescheide vom 17. November 2009 und 18. Mai 2010, Bl. 78, 103 der Akten des Klägers). Sodann verlangte er von der Beklagten die Erstattung der dafür berechneten und an das betreffende Sanitätshaus gezahlten Kosten in Höhe von 2.439,99 € (für das Hilfsmittel “Zimmerfahrgestell nebst notwendiger Umbaumaßnahme„) sowie in Höhe von 2.830,18 € (für das Hilfsmittel “individuelle Sitzschale nach Formabdruck„), mithin in Höhe von insgesamt 5.270,17 €.
Nach Ablehnung der Erstattung seitens der Beklagten hat der Kläger 21. Februar 2011 Klage zum Sozialgericht Heilbronn erhoben und geltend gemacht, der seinerzeitige Besuch von X. im Schulkindergarten habe auf das Erreichen der Schulfähigkeit abgezielt. Demnach sei die Teilnahme am Schulkindergarten als Grundvoraussetzung für den Erwerb einer elementaren Schulausbildung einzustufen, welche der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens diene. Insowei...