Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Analogleistung. rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer. Täuschung über Staatsangehörigkeit und Herkunft. Zulässigkeit einer Vorabentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine mit Dauerwirkung getroffene Vorabentscheidung über den Ausschluss sog Analog-Leistungen dem Grunde nach wegen rechtsmissbräuchlicher Beeinflussung der Aufenthaltsdauer durch den Leistungsberechtigten ist im Asylbewerberleistungsrecht nicht generell ausgeschlossen. Ob eine solche Vorabentscheidung tatsächlich getroffen wurde, muss durch Auslegung des betreffenden Dauerverwaltungsaktes im konkreten Einzelfall entschieden werden.
2. Der vorsätzliche (strafbewehrte) Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht des Ausländers nach § 49 Abs 2 AufenthG (juris: AufenthG 2004), vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu jedem einzelnen, ihn betreffenden Identitätsmerkmal zu machen, begründet generell den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens iS des § 2 Abs 1 Asylbewerberleistungsgesetz (juris: AsylbLG).
3. Rechtsmissbräuchliches Verhalten einer serbischen Staatsangehörigen serbischer Volkszugehörigkeit, die gegenüber der Ausländerbehörde wahrheitswidrig einen im Kosovo gelegenen Geburts- und letzten Wohnort im Herkunftsstaat angegeben hat.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 27. Dezember 2011 wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
Der nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner des Inhalts, diesen einstweilen bis zur Entscheidung in der bei der Kammer unter dem Aktenzeichen S 42 AY 14/12 anhängigen Hauptsache zur vorläufigen Gewährung von sog. Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ab Antragstellung bei der erkennenden Kammer zu verpflichten, weil die vom Antragsgegner seit ihrer Einreise am 30.03.2002 geduldeten, weil passlosen Antragstellerinnen eigenen Angaben zufolge der serbischen Minderheit aus dem Kosovo angehörten und als solche vor der Ausländerbehörde keine falschen Angaben zu ihrer Identität und Herkunft sowie Staatsangehörigkeit gemacht, sich somit nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 2 Abs. 1 AsylbLG verhalten hätten, ist unbegründet, denn die Antragstellerinnen haben keinen Anordnungsanspruch und keinen Anordnungsgrund für ein derartiges Begehren glaubhaft gemacht, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.
Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung scheitert dabei nicht schon an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes vor dem Hintergrund, dass es die Antragstellerinnen versäumt haben, gegen die mit Bescheid der Gemeinde F. vom 19.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Antragsgegners vom 30.06.2011 bereits zum 01.12.2010 mit Dauerwirkung verfügte Zurückstufung der Leistungen nach dem AsylbLG vom bisherigen Bezug von Analog-Leistungen gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG auf den künftigen Bezug von Grundleistungen in Form von Ersatzleistungen gem. § 3 Abs. 2 AsylbLG gerichtlich vorzugehen, sondern den Widerspruchsbescheid vom 30.06.2011 haben bestandskräftig werden lassen, sodass sie sich in der Hauptsache auf eine Überprüfung der e.g. Bescheide im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens gem. § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 44 SGB X - diesbezüglich haben die Antragstellerinnen am 09.03.2012 die bei der Kammer unter dem Aktenzeichen S 42 AY 30/12 anhängige Untätigkeitsklage erhoben - verweisen lassen müssen (näher zum regelmäßigen Wegfall des Anordnungsgrundes wahlweise Rechtschutzbedürfnisses in den Fällen des § 44 SGB X: Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Aufl., Rn. 32 m.w.N.). Zwar hat der Antragsgegner den in der Hauptsache S 42 AY 14/12 streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 18.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2012 allein aus Anlass der zum 01.11.2011 wirksam gewordenen Veränderung der Abschläge des Stromversorgers G. und der hieraus folgenden Zahlungsmodalitäten sowie der geänderten Aufteilung der Kosten der Unterkunft erlassen (vgl. Hinweis der Kammer an die Beteiligten vom 08.02.2012). Gleichwohl kann hieraus nicht gefolgert werden, dass der Antragsgegner in dem Änderungsbescheid vom 18.10.2011 über das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG dem Grunde und der Höhe nach nicht erneut entschieden, sondern sich insoweit auf die im Bescheid der Gemeinde F. vom 19.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Antragsgegners vom 30.06.2011 getroffene bestandskräftige Regelung zurückgezogen hat. Den Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 17.06.2008 - B 8 AY 13/07 R - (zit. nach juris Rn. 11), insbesondere dem dort vorgenommenen Verweis auf das Urteil des BVerwG vom 14.07.1998 (5 C 2/97 -, Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 17), das eine Vorabentscheidung dem Grunde nach hinsichtlich der Kürzung der Sozialhilfe für Ausländer gem. § 120 Abs. 2 Satz 4 BSHG für zulässig erachtet ...