Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zäsur durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG
Leitsatz (amtlich)
1. Durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG an einen bislang nur geduldeten Ausländer, der die bisherige Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat, tritt regelmäßig keine Zäsur mit der Folge ein, dass er ab Erteilung einen Anspruch auf sog. Analog-Leistungen gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG hat.
2. Eine Korrektur rechtlich untragbarer Ergebnisse eines lebenslangen Ausschlusses von Leistungen gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG kann im Einzelfall über den im Rahmen der Auslegung und Anwendung des Tatbestandsmerkmals rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer heranzuziehenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfolgen.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Den Antragstellern wird für das Verfahren im ersten Rechtszug ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.
Ihnen wird zur Vertretung in diesem Verfahren Rechtsanwalt G. aus H. beigeordnet.
Gründe
Der nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 10. Juli 2012 eingegangene, zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegnerin des Inhalts, diese einstweilen zu verpflichten, den Antragstellern höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewähren, ist nach Erlass des abhelfenden vorläufigen Änderungsbescheides der Antragsgegnerin vom 16. August 2012 über die Gewährung höherer Grundleistungen nach Maßgabe des Erlasses des Nds. Innenministeriums vom 3. August 2012 zur Umsetzung der Übergangsregelung aus dem Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 und 2/11 - und der für die Monate September bis November 2012 in geringfügig zugunsten der Antragsteller abgeändert vorgenommenen Auszahlung von Taschengeld und Aushändigung von Wertgutscheinen unbegründet, denn die Antragsteller haben für ihr e.g. Begehren keinen Anordnungsanspruch und keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Dabei geht die Kammer von folgendem Sachverhalt aus:
Die Antragsteller sind libanesische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Die Antragsteller zu 1. und 2. reisten am 19. April 1992 unter den aus dem Rubrum ersichtlichen Namen mit einem von der deutschen Botschaft in Nikosia (Zypern) für einen Monat erteilten und in ihre damals noch gültigen libanesischen Reisepässe eingetragenen Besuchervisum legal in die Bundesrepublik ein. Der minderjährige Antragsteller zu 3. ist 1999 in Deutschland geboren. Kurz vor Ablauf des e.g. Visums beantragten die Antragsteller zu 1. und 2. im Mai 1992 unter den falschen Personalien I. - 1961 in Nabi Junes geborener, aus der Türkei stammender irakischer Staatsangehöriger - bzw. J. - 1965 in Beirut geborene und aus dem Libanon stammende Kurdin ungeklärter Staatsangehörigkeit, die zuletzt mit dem Antragsteller zu 1. in der Türkei lebte - und mit unwahrem Vorbringen u.a. zum Einreiseweg und zur Frage des Vorhandenseins von Identitätsdokumenten zunächst erfolglos Asyl (vgl. Bescheid BAFL vom 28. Dezember 1994). Aufgrund des nachgehenden Urteils des VG Göttingen vom 26. Januar 1999 - 4 A 4003/97 - wurden die Antragsteller zu 1. und 2. jedoch als Flüchtlinge aus dem Irak anerkannt; der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung erfolgte im Jahr 2005. Sie waren deshalb bis 2007 im Besitz von Aufenthaltstiteln. Seit Aufdeckung ihrer Identitätstäuschung Anfang 2007 waren sie vollziehbar ausreisepflichtig und wurden von der Antragsgegnerin in der Zeit von April 2007 bis zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG am 13. Januar 2012 (gültig bis 12. Juli 2013) mangels Vorlage gültiger libanesischer Reisepässe geduldet.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Das ist immer dann der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache im Falle des Obsiegens nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 19. Oktober 1977 - 2 BvR 42/76 -, BVerfGE 46 [166, 179, 184]). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist es ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begründet. Eine aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotene Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Verfahren ist jedoch nur dann zulässig, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweilige...