Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Analog-Leistung gem § 2 AsylbLG. Vorbezugszeit. keine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer. Absehen von der Vollstreckung der Ausreisepflicht
Orientierungssatz
1. Die bloße Weigerung, der Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise nachzukommen, stellt keinen Rechtsmissbrauch iS des § 2 Abs 1 AsylbLG nF dar.
2. Sieht der Staat selbst von der Vollstreckung der grundsätzlichen Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber ab, stellt sich das bloße Nichtausreisen nicht als treuwidrige Verhinderung der Rückführung dar, so dass auch kein Rechtsmissbrauch iS des § 2 Abs 1 AsylbLG angenommen werden kann.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger zu 1. und sein Sohn, der Kläger zu 2., sind Ashkali aus dem Kosovo, die sich seit ihrer Einreise am 07.08.1998 in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG beziehen. Sie sind vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und werden geduldet. Mit Bescheid vom 21.12.2004 wurden den Klägern ab 01.01.2005 Grundleistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG bewilligt. Hiergegen haben die Kläger am 05.01 .2005 Widerspruch erhoben und die Bewilligung von Leistungen gemäß § 2 AsylbLG i. V. m. dem SGB XII beantragt. Die Beklagte hat den Widerspruch mit Bescheid vom 11 .01 .2005 zurückgewiesen und sich darauf berufen, dass den Klägern die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise sowohl in den Kosovo wie auch nach Serbien und Montenegro bleibe und insofern keine Hinderungsgründe einer freiwilligen Ausreise entgegenstehen.
Am 17.01 .2005 haben die Kläger Klage erhoben und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung verweisen sie darauf, dass sie nach der Neufassung des § 2 AsylbLG einen Anspruch auf Leistungen nach dem 12. Buch Sozialgesetzbuch geltend machen können, da sie Leistungen nach § 3 AsylbLG über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflussen. Ihnen könne weder vorgeworfen werden, dass sie gegenwärtig schuldhaft ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen, noch, dass es rechtsmissbräuchlich sei, dass sie nicht freiwillig in ihre Heimat ausreisen. Auch aus einer “agreed note„ über die Gespräche zur zwangsweisen Rückführung von Minderheiten in das Kosovo am 25. und 26.04.2005 in Berlin (Erklärung des UNMIK Office of Returns & Communities) ergebe sich, dass ab Mai 2005 Angehörige der Minderheiten der Ashkali und Ägypter nur abhängig vom Ergebnis eines von der UN-Verwaltung im Kosovo UNM IK durchgeführten individuellen Prüfverfahrens zurückgeführt werden können. Der Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 23.09.2004, demzufolge eine Wiederaufnahme der Rückführung von Minderheitsangehörigen der Ashkali und Ägypter ab Frühjahr 2005 möglicherweise zugelassen werden könne, sei durch keinen neueren Erlass ersetzt worden, so dass es bei bloßen Absichtserklärungen zur Frage einer möglichen Rückführung zu einem späteren Zeitpunkt bleibe.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 21.12.2004 und des Widerspruchsbescheides vom 11 .01 .2005 zu verpflichten, an die Kläger - unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen gemäß §§ 1, 3 AsylbLG sowie § 2 AsylbLG - ab dem 01.01.2005 solche gemäß § 2 AsylbLG i. V. m. dem SGB XII zu erbringen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die fehlende Bereitschaft der Kläger, freiwillig auszureisen, weiterhin für rechtsmissbräuchlich. Da der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzes zwischen denjenigen Ausländern unterscheiden wollte, die unverschuldet nicht ausreisen können, und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen (Bundestagsdrucksache 15/420 (121) - Gesetzesentwurf - Zuwanderungsgesetz zu Nr. 3), müsse ein schuldhafter Verstoß gegen die Ausreisepflicht sehr wohl als rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 2 AsylbLG angesehen werden. Dabei erfasse der Begriff des Rechtsmissbrauchs nicht nur Fälle der Täuschung, sondern auch treuwidriges und unredliches Verhalten, das nicht nur im Tun, sondern auch im Unterlassen liegen könne. Das Verhalten des Beklagten sei auch nicht widersprüchlich, wenn er die Kläger einerseits dulde und ihnen andererseits keine Leistungen nach § 2 AsylbLG gewähre, da das Absehen von der Vollstreckung der Ausreisepflicht diese nicht suspendiere. Schließlich komme es auf die Frage, ob den Klägern die Rückkehr in ihr Heimatland zumutbar sei, nach der neuen Fassung des AsylbLG nicht an. Der Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 23.09.2004 mache deutlich, dass eine freiwillige Ausreise für alle ethnischen Gruppen möglich sei und eine Wiederaufnahme der Rückführung möglicherweise ab Frühjahr 2005 erfolge.
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az. S 34 AY 2/05 ER) hat das Gericht mit Beschluss vom 28.02.2005 stattgegeben. Über die anhängige Beschwerde gegen die...