Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe nach Besonderheit des Einzelfalls. Eingliederungshilfe. Wunsch nach Wechsel der Einrichtung. unverhältnismäßige Mehrkosten iS des § 9 Abs 2 SGB 12
Leitsatz (amtlich)
1. Mehrkosten von 23% bis 29 % können noch angemessen iS des § 9 Abs 2 S 1 SGB 12 sein.
2. Es gibt keine feste Grenze, deren Überschreitung dazu führen würde, dass die Erfüllung des Wunsches des Leistungsberechtigten mit "unverhältnismäßigen Mehrkosten" verbunden wäre.
3. Beim Wechsel in ein anderes Heim ist das Gewicht des Wunsches des Leistungsberechtigten in ein wertendes Verhältnis zu den mit diesem Wunsch verbundenen Mehrkosten zu setzen.
Tenor
1. Der Bescheid des Landkreises A. vom 26.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2007 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, die Kosten der stationären Betreuung der Klägerin in der Einrichtung H. und der Kosten der mit dieser Einrichtung kooperierenden Behindertenwerkstatt zu übernehmen.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt im Rahmen von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Kosten der stationären Betreuung in der Einrichtung I. und der Kosten der mit dieser Einrichtung kooperierenden Behindertenwerkstatt.
Die 1987 geborene Klägerin steht im laufenden Bezug von Leistungen nach den §§ 53 ff. SGB XII, ist leicht geistig behindert und steht unter gesetzlicher Betreuung ihrer Mutter. Für die Klägerin ist ein GdB von 60 anerkannt (vgl. Bl. 47 f. der Verwaltungsakte). Sie lebt derzeit noch bei ihren Eltern und arbeitet seit September 2006 tagsüber in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) der Lebenshilfe in A.. Zuvor hatte sie 12 Jahre eine Waldorf-Schule in J. besucht.
Am 28.11.2006 beantragte die Mutter der Klägerin zunächst fernmündlich und sodann am 10.01.2007 schriftlich (Bl. 37 ff. der Verwaltungsakte) die Kostenübernahme für die stationäre Betreuung in der Einrichtung K.. Die dortige Betreuung findet auf Grundlage der Waldorfpädagogik statt. In der Zeit vom 14.- bis 19.01.2007 absolvierte die Klägerin in der genannten Einrichtung ein Probewohnen. Mit Bescheid vom 26.06.2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab (Bl. 200 ff. der Verwaltungsakte). Zur Begründung führte er u.a. aus, dass die begehrte Maßnahme zwar geeignet und eine betreute Wohnform im Hinblick auf die Ergebnisse eines im Januar 2007 durchgeführten Hausbesuchs auch erforderlich sei. Es fehle jedoch im Hinblick auf den Tagessatz der Einrichtung in B. gegenüber den geringeren Kosten vergleichbarer Einrichtungen in L. an der Angemessenheit der begehrten Leistung. Hiergegen erhob die Klägerin am 07.07.2007 Widerspruch, den sie mit Schreiben vom 09.08.2007 (Bl. 210 f.) u.a. damit begründete, dass sie derzeit in der Behindertenwerkstatt nicht ausreichend gefördert werde. Sie sei mit monotonen Arbeitsgängen betraut. Die von ihr angestrebte Tätigkeit im Hauswirtschaftsbereich sei nur anfänglich angeboten worden. Ihre Entwicklung stagniere. Überdies bestehe ein Nachtpflegebedürfnis. Nur die M. Einrichtung gewährleiste diese Erfordernisse, weshalb es auf das Kostenargument des Beklagten nicht ankomme. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2007 zurückgewiesen (Bl. 215 ff. der Verwaltungsakte). Zur Begründung verwies der Beklagte wiederum auf die mit einem Wechsel in die C. Einrichtung verbundenen - nach seiner Auffassung unverhältnismäßigen - Mehrkosten von bis zu 1.086,00 € monatlich.
Am 21.11.2007 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie führt ihr Begehren aus dem Verwaltungsverfahren fort und führt aus, dass insbesondere der familiäre und individuelle Rahmen, wie er eine Einrichtung der Waldorf-Pädagogik anbiete, ihrer Entwicklung zuträglich sei. Bereits an der von ihr besuchten Waldorfschule in J. habe sie sich wohlgefühlt, auch das Probewohnen in der C. Einrichtung habe ihr gefallen und gezeigt, dass diese Einrichtung die richtige für sie sei. Sie fühle sich dort geborgen und sicher. Die regelmäßigen Rituale im Tages-, Monats- und Jahresverlauf gäben ihr besondere Sicherheit. Mitarbeiter einer Waldorfeinrichtung seien überdies gegenüber Behinderten offener und einfühlsamer. Da die Einrichtung in N. in der Stadt liege, ergäben sich hierbei für sie weitere Möglichkeiten, was ihrem offenen kontaktfreudigen Wesen entgegenkomme. Sie habe dort u.a. auch die Möglichkeit, die Sparkasse aufzusuchen, weil die dortigen Mitarbeiter die Menschen der Einrichtung kennen würden. Sie strebe an, im hauswirtschaftlichen Bereich des Wohnheims (mithin nicht in der dortigen Behindertenwerkstatt) zu arbeiten. Ein Wechsel nach N. und die damit einhergehende größere Entfernung zu ihrer Familie seien auch für ihre persönliche Fortentwicklung wichtig. Überdies verweist sie auf das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Herrn Dr. O. vom 27.10.2005 (vgl. Bl. 25 ff. der Gerichtsakte) und die fachärztlic...