Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. vollstationäre Wohnheimunterbringung. Werkstatt für behinderte Menschen. Wunsch- und Wahlrecht des Hilfebedürftigen. unverhältnismäßige Mehrkosten. Hilfe in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten. stationäre Wohnheimunterbringung und Besuch einer Werkstatt für behinderte Menschen. Einrichtungswechsel. Ermessen des Sozialhilfeträgers. Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten. Mehrkosten iHv mehr als 800 Euro monatlich
Leitsatz (amtlich)
Bei einem geplanten Einrichtungswechsel eines behinderten Menschen entstehende Mehrkosten von rund 29% bzw. mehr als 800,-- € monatlich sind "unverhältnismäßig" i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII und deshalb vom Sozialhilfeträger auch unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts des Hilfesuchenden nicht zu übernehmen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Kosten für den Wechsel des Klägers von einem Wohnheim und einer Werkstatt für behinderte Menschen in Karlsruhe in eine vollstationäre Einrichtung in D./Bayern aus Mitteln der Eingliederungshilfe nach den Bestimmungen des Sechsten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) umstritten.
Der 19xx geborene Kläger leidet seit Geburt an einem Down-Syndrom und einem Herzklappenfehler mit Aneurysma. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt; außerdem sind ihm die Nachteilsausgleiche “G„, “B„ und “H„ zuerkannt.
Der Kläger ist seit dem 13.04.2007 vollstationär in einer Außenwohngruppe der H. in S-F untergebracht und bewohnt dort ein Einzelzimmer. Seit dem 10.12.2009 ist er im Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen (Schreinerei) der H. tätig. Der Beklagte erbringt seit dem 13.04.2007 an den Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Eingliederungshilfe nach den Bestimmungen des SGB XII (zuletzt Bescheide vom 02.12.2009 und vom 02.05.2011).
Im Rahmen eines Hilfeplangesprächs am 10.12.2013 äußerte der Kläger zunächst den Wunsch, in eine eng ambulant begleitete Wohngruppe nach K.-D. oder in die Innenstadt von K. umzuziehen. Am 15.04.2014 beantragte er, vertreten durch seine Mutter und zugleich rechtliche Betreuerin, beim Beklagten die Übernahme von Kosten für einen geplanten Wechsel der Wohneinrichtung sowie die Übernahme der Kosten für stationäres Wohnen und Arbeiten in der C. Gemeinschaft “Ha.„ e.V., D./Bayern, zum 01.05.2014. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, der Wechsel verursache, je nach Hilfebedarfsgruppe (HBG), jährliche Mehrkosten zwischen etwa 10.000,00 € und 17.200,00 €. Die H. habe sich in den vergangenen Jahren als geeignete Einrichtung für den Kläger erwiesen. Objektive Gründe, die die Übernahme der nunmehr unverhältnismäßigen Mehrkosten rechtfertigten, lägen nicht vor (Bescheid vom 28.04.2014).
Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, die Entscheidung des Beklagten sei unter Berücksichtigung des ihm - dem Kläger - zustehenden Wunsch- und Wahlrechts nicht akzeptabel. Die Mehrkosten in der von ihm gewünschten Einrichtung beliefen sich auf rund 29 % im Vergleich zu den Aufwendungen des Beklagten für seine Unterbringung in den H.. Diese Mehrkosten seien nicht unverhältnismäßig (Hinweis auf Urteile des SG Hildesheim vom 19.05.2010 - S 34 SO 212/07 - und des SG Duisburg vom 16.04.2012 - S 2 SO 55/11 -). Auch entfielen bei der gewünschten Heimunterbringung Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte. Aus gesundheitlichen Gründen benötige er weiterhin eine enge Beaufsichtigung. Zur Stützung seines Widerspruchsvorbringens legte der Kläger Atteste der Allgemeinmedizinerin St. und des Kinderkardiologen Dr. B. vor.
Zur Frage, ob der Kläger außerhalb einer vollstationären Einrichtung adäquat leben könne, holte der Beklagte eine Stellungnahme des Medizinisch-Pädagogischen Dienstes des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, Stuttgart, (KVJS) ein. Danach besitze der Kläger zwar viele lebenspraktische Fähigkeiten, die er teilweise im Verlauf der bisherigen vollstationären Wohnmaßnahme habe erwerben können. Gleichwohl sei weiterhin ein hoher Bedarf an Hilfestellungen zur Bewältigung der alltäglichen Anforderungen aufgrund der Schwere der geistigen Behinderung, verbunden mit einer deutlichen Sprachbehinderung und verminderten körperlichen Belastbarkeit durch den Herzfehler, deutlich. Selbstständiges Wohnen sei auch für die Zukunft nicht realistisch. Ein ambulant betreutes Wohnen entsprechend den Plänen des bisherigen Leistungsträgers sei vom Betreuungsumfang her der bisherigen stationären Wohnform nahezu gleichzusetzen. Auch Ziele hinsichtlich eines Zuwachses an Selbstständigkeit in Teilbereichen seien hier im veränderten Bewohnersetting gegebenenfalls zu erreichen. Ein ambulant betreutes Wohnen im klassischen Sinne werde dem Bedarf des Klägers indes nicht gerecht und sei aus fachlicher Sicht nic...