Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. stationäre Pflege. Auswahl einer Einrichtung. Ermessen des Sozialhilfeträgers. Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten. angemessener Wunsch. Verhältnismäßigkeit der Mehrkosten. weniger als 20 %
Leitsatz (amtlich)
Der mit Mehrkosten von weniger als 20 % im Vergleich zu alternativen Angeboten des Sozialhilfeträgers verbundene Wunsch des Hilfebedürftigen auf Unterbringung in eine von ihm konkret benannte andere Pflegeeinrichtung ist nicht unangemessen, wenn dieser Wunsch durch nachvollziehbare Gründe gerechtfertigt und die Pflegeeinrichtung geeignet und in der Lage ist, den Hilfebedürftigen aufzunehmen und die im Einzelfall erforderliche Pflege fachgerecht durchzuführen.
Tenor
Der Bescheid vom 23. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Februar 2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, die ungedeckten Heimkosten für die Unterbringung des Klägers in der Pflegeeinrichtung Seniorenresidenz O., Karlsruhe, ab dem Zeitpunkt seiner tatsächlichen Aufnahme dort aus Mitteln der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu übernehmen.
Die Beklagte erstattet dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme ungedeckter Heimkosten für die Pflegeeinrichtung Seniorenresidenz O., Karlsruhe, aus Mitteln der Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des Siebten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der 1949 geborene Kläger leidet an einer schweren Intelligenzminderung mit Verhaltensstörungen und depressiven Symptomen bei Morbus Down sowie einer Prostatahyperplasie. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt; außerdem sind ihm die Nachteilsausgleiche “G„, “B„, “H„, “RF„ und “aG„ zuerkannt. Seit dem 01.08.1996 ist er in die Pflegestufe I eingestuft. Der Kläger ist seit dem 01.12.2005 vollstationär im M., P.-B., einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, untergebracht. Die Beklagte gewährt ihm seit dem 01.12.2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zzgl. eines monatlichen Barbetrages.
Am 26.06.2013 zeigten die Betreuer des Klägers der Beklagten an, sie beabsichtigten eine Verlegung des Klägers in die Pflegeeinrichtung Seniorenresidenz O., Karlsruhe. Zugleich beantragten sie die Übernahme der ungedeckten Heimkosten aus Mitteln der Hilfe zur Pflege. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich seit einem halben Jahr verschlechtert. Es seien nunmehr vermehrt Not- und Facharztbesuche erforderlich. Außerdem seien sie - die Betreuer - mit der Wohn- und Pflegesituation im M. nicht mehr zufrieden. Der Kläger wünsche deshalb den Übertritt in eine Pflegeeinrichtung in der Nähe seiner Betreuerin. Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholung einer Heimkostenübersicht von Karlsruher Pflegeheimen ab: Die Unterbringung des Klägers in der Seniorenresidenz O. verursache gegenüber einer Unterbringung in den ebenfalls geeigneten und verfügbaren Pflegeeinrichtungen “A„ oder “I„ Mehrkosten von monatlich 488,40 € bzw. 388,20 €, mithin Mehrkosten im Umfang von 17,63 % bzw. 14,02 %. Diese Mehrkosten seien unverhältnismäßig. Beide Pflegeheime lägen zudem in der Nähe des bisherigen Eingliederungsheims; durch eine Unterbringung des Klägers dort komme es deshalb nicht zu einer Änderung seines Besuches. Im Übrigen sei sie bei der Verlegung des Klägers in ein Pflegeheim gerne behilflich (Bescheid vom 23.08.2013).
Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs trugen die Betreuer des Klägers im Wesentlichen vor, die Ablehnung der Kostenübernahme verstoße gegen das Recht auf freie Heimwahl. In der Seniorenresidenz O. seien außerdem andere Personen mit Sozialhilfe-Bezug untergebracht. Damit liege in der Entscheidung der Beklagten auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und die UN-Behindertenrechtskonvention vor. Auf Aufforderung der Beklagten, die Notwendigkeit des Wechsels des Klägers von einem Eingliederungshilfeheim in ein Pflegeheim durch ein MDK-Gutachten oder Ähnliches zu belegen, übersandten die Betreuer das Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. Ho., der den Wechsel des Klägers in die Seniorenresidenz O. “befürwortet„. Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung, Mainz, wies den Widerspruch zurück: Zwar gehöre der Kläger zu dem Personenkreis, der dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme von Heimunterbringungskosten habe und Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme ungedeckter Heimunterbringungskosten aus Sozialhilfemitteln erhalten könne. Die begehrte Hilfe für eine Unterbringung in der Seniorenresidenz O. sei jedoch ausgeschlossen, weil ein Aufenthalt in dieser Einrichtung unverhältnismäßige Mehrkosten verursache. Deshalb brauche die Beklagte dem Wunsch des Klägers nach einer Unterbringung dort nicht zu entsprechen. Ein Aufenthalt in den von der Beklagten benannten Pflegeheimen stelle eine konkrete und zumutbare Alternative zu der vom Kläg...