Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Anforderung an die Wirksamkeit eines schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen von Unterkunftskosten. Ermittlung angemessener Unterkunftskosten bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts
Orientierungssatz
1. Bei einem in Bezug auf Bevölkerungsdichte und Sozialstruktur heterogenen Landkreis muss der Vergleichsraum für die Ermittlung angemessener Unterkunftskosten für ein schlüssiges Konzept eines Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht notwendig das gesamte Kreisgebiet umfassen. Bei der Festlegung der Vergleichsräume innerhalb eines Landkreises sind aber diese Räume so zu bilden, dass eine ausreichend große Anzahl an Wohnbebauung enthalten ist, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe, der im gebildeten Raum verfügbaren Infrastruktur und insbesondere auch der verkehrstechnischen Verbundenheit einen homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet.
2. Fehlt es an einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, ist auf die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes nur ausnahmsweise dann zurückzugreifen, wenn es an Daten zum Wohnungsmarkt fehlt, die es dem Grundsicherungsträger oder dem Gericht ermöglichen, selbst Feststellungen zu den angemessenen Unterkunftskosten zu treffen.
3. Einzelfall zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts durch das Sozialgericht unter Nutzung von Wohnungsmarktdaten.
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 01.04.2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 28.04.2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 04.07.2014 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete von 633,00 € zzgl. Heizkosten zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt 50 % der außergerichtlichen Kosten der Kläger.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten. Sie wohnten im streitgegenständlichen Zeitraum und wohnen noch heute in einer 79,65 qm großen Wohnung in H…, Amt Moorrege. Die Nettokaltmiete hierfür beträgt 570,00 €, die Nebenkostenvorauszahlung 80,00 € monatlich.
Auf entsprechenden Weiterbewilligungsantrag waren ihnen mit Bescheid vom 01.04.2014 Leistungen für den Zeitraum Mai bis einschließlich Oktober 2014 bewilligt worden. Der Beklagte berücksichtigte hierbei Kosten für Unterkunft und Heizung von insgesamt 699,78 €.
Hiergegen erhoben die Kläger am 09.04.2014 Widerspruch, den sie nicht weiter begründeten.
Am 28.04.2014 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid für den streitgegenständlichen Zeitraum, mit welchem ein erhöhter Heizkostenabschlag von 130,00 € anerkannt wurde.
Unter dem 19.05.2014 erging daraufhin der Widerspruchsbescheid des Beklagten, mit dem der Widerspruch nach Erlass des Änderungsbescheides vom 28.04.2014 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Kosten der Unterkunft würden nunmehr in Höhe der geltenden Mietobergrenze von 605,00 € zzgl. Heizkosten in Höhe von 130,00 € gewährt. Darüber hinaus sei der Bescheid nicht zu beanstanden.
Am 20.06.2014 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht Itzehoe erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich insgesamt 780,00 € betragen hätten, der Beklagte letztlich aber nur 735,00 € seiner Leistungsbewilligung zu Grunde gelegt hätte. Dieser Kürzung liege kein schlüssiges Konzept des Beklagten zu Grunde.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 01.04.2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 28.04.2014 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19.05.2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 04.07.2014 zu verurteilen, den Klägern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete von 650,00 € zzgl. Heizkosten zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und meint der Kürzung der gewährten Kosten der Unterkunft liege ein schlüssiges Konzept zu Grunde.
Unter dem 04.07.2014 ist ein Änderungsbescheid des Beklagten für den Leistungszeitraum August bis einschließlich Oktober 2014 ergangen, mit welchem Unterhaltszahlungen für die Kläger zu 2) und 3) angerechnet wurden. Am 23.07.2014 hat der Beklagte einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid mit welchem die Entscheidungen vom 01.04.2014, 17.04.2014 und 28.04.2014 für Juli 2014 für die Kläger zu 1) und 3) teilweise in Höhe von insgesamt 79,00 € wegen im Monat Juli 2014 gezahlten Unterhalts aufgehoben wurden, erlassen. Letzteren greifen die Kläger nicht an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwalt...