Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Auszug aus elterlichem Haushalt vor Vollendung des 25. Lebensjahres. kein Zusicherungserfordernis bei fehlender Hilfebedürftigkeit bzw Beantragung von Leistungen zum Auszugszeitpunkt. Missbrauchsabsicht. Beweislast des Grundsicherungsträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Für Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, greift das in § 22 Abs 5 S 1 SGB 2 normierte Zusicherungserfordernis nicht, wenn sie im Zeitpunkt des Auszugs aus dem elterlichen Haushalt keine Leistungen nach dem SGB 2 beantragt oder bezogen haben.
2. Den mit dem Auszug unter 25-jähriger aus dem elterlichen Haushalt verbundenen Umgehungs- und Missbrauchsgefahren wird durch § 22 Abs 5 S 4 SGB hinreichend Rechnung getragen.
3. Absicht iS des § 22 Abs 5 S 4 SGB 2 erfordert ein finales auf den Erfolg gerichtetes Verhalten derart, dass die Schaffung der Voraussetzungen für die Leistungsgewährung das für den Umzug prägende Motiv ist. Der nur beiläufig verfolgte Leistungsbezug ist nicht ausreichend.
4. Die materielle Beweislast trägt insoweit das Jobcenter.
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 19.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2013 verurteilt, Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungsabschnitt vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 unter Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft in Höhe von 370,00 € monatlich zu bewilligen.
2. Der Beklagte erstattet dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger für den Bewilligungsabschnitt 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 einen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft in Höhe von 370,00 € monatlich hat.
Der am 20.12.1989 geborene Kläger beantragte am 11.12.2012 beim Jobcenter Landkreis Rastatt (JC) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Seit dem 01.12.2012 bewohnt er alleine eine circa 35 m² große Wohnung in der xxx in xxx. Für diese Wohnung muss er laut Mietvertrag vom 14.11.2012 eine monatlich Kaltmiete in Höhe von 260,00 € zuzüglich 30,00 € für die Einrichtungsgegenstände bezahlen. Hinzukommt eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 80,00 € monatlich. Aus dem Mietvertrag ist auch ersichtlich, dass die Mutter des Klägers den Mietvertrag als Bürgin mitunterschrieben hat.
Mit Bescheid vom 19.12.2012 bewilligte das JC Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.12.2012 bis zum 31.12.2012 in Höhe von 374,00 € und für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.05.2013 in Höhe von monatlich 382,00 €. Der Bescheid enthielt desweiteren den Hinweis, dass Kosten der Unterkunft nicht übernommen würden, da sich aus dem Mietvertrag ergebe, die Miete und die Nebenkostenvorauszahlung würden von der Mutter bezahlt. Im übrigen seien die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch.
Am 07.01.2013 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 19.12.2012 Widerspruch ein. Zu dessen Begründung trug er vor, er sei gezwungen gewesen, seine Mutter bei Abschluss des Mietvertrages als Bürgin anzugeben, da es sonst nicht möglich gewesen wäre die Wohnung anzumieten. Zu diesem Zeitpunkt sei er arbeitslos und bereits in psychischer Behandlung gewesen. Die Bezahlung der Miete sei von ihr nur vorübergehend zugesichert worden, solange er selbst nicht für die Miete aufkommen könne.
Mit Bescheid vom 16.01.2013 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Ergänzend zum Bescheid vom 19.12.2012 wurde dieser damit begründet, dass der Kläger bereits keine tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung habe, da die Mietkosten durch die Mutter übernommen würden. Des weiteren sehe § 22 Abs. 5 SGB II vor, dass Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für einen Umzug grundsätzlich die Zusicherung des kommunalen Trägers bedürfen. Eine solche Zusicherung sei vorliegend nicht gegeben. Eine Ausnahme vom Zusicherungserfordernis sei nicht ersichtlich, noch durch den Kläger vorgetragen worden. Bereits deswegen seien die Kosten der Unterkunft im Falle des Klägers nicht zu übernehmen.
Deswegen hat der Kläger am 18.02.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.
Zu deren Begründung trägt er vor, das Jugendamt habe ihm nahe gelegt, von zu Hause auszuziehen. Diesem Vorschlag sei er zum 01.12.2012 nachgekommen, ohne zu wissen, dass er hierfür eine Zustimmung des JC benötige. Seine Mutter habe ihn unterstützt, da er ohne finanzielle Beteiligung keinen Mietvertrag hätte eingehen können. Seit November 2012 befinde er sich darüber hinaus in therapeutischer Behandlung. Das Zusicherungserfordernis greife nach Sinn und Zweck nur bei Personen, die im Zeitpunkt des Auszugs bereits Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft gewesen seien. Er habe zum Zeitpunkt des Auszugs und davor keine Leistungen bezogen und auch nicht beantragt, daher greife das Zusicherungserfordernis nicht ein. Den mit dem Auszug unter 25-jähriger aus dem elterlichen Haushalt verbundenen Umgehung...