Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwerrentenanspruch nach § 303 SGB 6. Anwendbarkeit des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrechts. Wirksamkeit einer Fristverlängerung bei gesetzlich festgelegten Fristen. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch wirkt sich nicht zu Lasten des betroffenen Bürgers aus.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 3. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2008 verurteilt, dem Kläger ab dem 1. November 2007 Witwerrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau.
Der am ... geborene Kläger war mit der am ... geborenen und am ... verstorbenen ... ... (die Versicherte) verheiratet.
Am 31.10.2007 stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Frau.
Auf diesen Antrag hin teilte die Beklagte dem Kläger zunächst mit Schreiben vom 19.11.2007 mit, er habe mit seiner Ehefrau am 24.1.1989 eine gemeinsame Erklärung abgegeben, wonach das bis zum 31.12.1985 geltende Recht für ihn weiterhin angewendet werden solle. Der Kläger solle deshalb auf einem ihm dazu übermittelten Vordruck nähere Angaben zu den Einkommensverhältnissen für die Zeit vom 1.10.2006 bis 30.9.2007 machen.
Dazu erklärte der Kläger, er selbst habe eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.034,81 € bezogen, die Versicherte eine solche in Höhe von 820,11 €. Die Versicherte sei in der Zeit vom März 2005 bis Oktober 2007 pflegebedürftig gewesen. Pflegeleistungen und die Führung des Haushaltes der 120 m² großen Unterkunft habe in der genannten Zeit die gemeinsame Tochter ... ... mit acht Stunden täglich übernommen.
Mit Bescheid vom 3.1.2008 lehnte die Beklagte danach den Antrag des Klägers ab. Die erforderliche Wartezeit sei zwar erfüllt. Witwerrente erhalte der Ehemann nach dem Tod seiner versicherten Ehefrau jedoch nur dann, wenn die Verstorbene den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten habe. Diese Voraussetzung sei jedoch nicht erfüllt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 29.1.2008 Widerspruch. Er bestreite, zusammen mit seiner verstorbenen Ehefrau die von der Beklagten behauptete Erklärung abgegeben zu haben. An einen solchen Vorgang könne er sich nicht erinnern. Aus der von der Beklagten zwischenzeitlich vorgelegten Verwaltungsakte sei eine solche Erklärung ebenfalls nicht zu ersehen. Es gebe lediglich einen Vermerk in der Datenverarbeitung, wonach eine solche Erklärung angeblich abgegeben worden sei (Bl. 59 dVA). Dies reiche jedoch als Beweis für die Abgabe einer solchen Erklärung nicht aus. Die von der Beklagten in Bezug genommene Erklärung habe darüber hinaus nach den gesetzlichen Vorschriften wirksam nur bis zum 31.12.1988 abgegeben werden können. Die Beklagte behaupte aber selbst, die Erklärung sei erst am 24.1.1989 abgegeben worden. Auch deshalb liege keine wirksame Erklärung vor. Auch die Behauptung der Beklagten, die Verstorbene habe den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod nicht überwiegend bestritten, treffe nicht zu. Bei dieser Berechnung seien auch für ein Familienmitglied erbrachte Dienstleistungen mit ihrem wirtschaftlichen Wert zu berücksichtigen, dies bei demjenigen, für den sie erbracht worden seien. Im vorliegenden Fall sei eine Pflegetätigkeit für die Versicherte erbracht worden. Der dementsprechende Wert sei ihrem Renteneinkommen zuzurechnen. Danach sei im Ergebnis die Zahlung der Pflegeversicherung dem Einkommen zuzurechnen. Die Versicherte habe Pflegegeld von 410,-- € monatlich bezogen, welches an die pflegende Tochter ausgezahlt worden sei. Das Einkommen der Versicherten habe deshalb 1.230,11 € monatlich betragen und habe deshalb über dem Einkommen des Ehemannes von 1.034,81 € gelegen.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.4.2008 als unbegründet zurück. Die Beklagte gehe weiterhin davon aus, dass eine gemeinsame Erklärung rechtswirksam abgegeben worden sei. Dem stehe es nicht entgegen, wenn die Erklärung erst am 24.1.1989 bei der Beklagten eingegangen sei. Denn die damalige Versicherungs- und Rentenabteilung der Beklagten habe in einem Schreiben vom 19.10.1988 darauf hingewiesen, dass der Fachausschuss für Versicherung und Rente am 20.9.1988 einen Beschluss gefasst habe, in dem eine Fristverlängerung für die Abgabe der gemeinsamen Erklärung vereinbart worden sei, wenn einer oder beide Ehegatten bis zum 2.1.1989 schriftlich oder mündlich beim Rentenversicherungsträger oder einer der in § 16 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) genannten Stellen nachweislich um eine Auskunft oder Beratung gebeten habe. Diese Frist zur Abgabe der Erklärung habe dann drei Monate nach dem Zugang der Auskunft bzw. Durchführung der Beratung geendet....