Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Pflegepersonaluntergrenzen. Festlegung pflegesensitiver Bereiche (hier: im Fachgebiet Neurologie für das Kalenderjahr 2021). Fehlen einer ordnungsgemäßen Beleihung des InEK zum Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide. Unsachlichkeit der Zuordnung allein auf Basis der Fachabteilungsbezeichnung. Berücksichtigung Patientenklientel nach Indikation, fachlicher Zuordnung oder Behandlungsschwere (hier: atypischer Sachverhalt im Hinblick auf Krankheitsbilder, Versorgungsbedarf und Behandlungsgeschehen beruhend auf besonderem Versorgungsauftrag). besondere Bedeutung des Kriteriums der Indikatoren-DRG. Gleichheitswidrigkeit von § 3 Abs 2 Nr 1 PpUGV 2021
Orientierungssatz
1. Zum Streit über die Rechtmäßigkeit der Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus basierend auf der Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung - PpUGV) für das Jahr 2021 (juris: PpUGV 2021).
2. Die hier angefochtenen Bescheide des beklagten Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) vom 12.11.2020 und vom 6.5.2021 über die Feststellung eines pflegesensitiven Bereichs im Krankenhaus der Klägerin im Fachgebiet der Neurologie für das Kalenderjahr 2021 auf Grundlage der PpUGV 2021 ist formell rechtswidrig, da es an einer ordnungsgemäßen Beleihung des InEK zum Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide fehlt. Das in der Rechtsform einer privatrechtlichen GmbH organisierte Institut war zum Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide keine Behörde iSd § 1 Abs 2 SGB 10. Auch die spätere Rechtsänderung (§ 31 KHG idF des Art 5 Nr 7 GVWG) konnte diesen Zustand nicht rückwirkend „heilen".
3. Die angefochtenen Bescheide sind darüber hinaus materiell rechtswidrig, da sie eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage vermissen lassen. § 3 Abs 2 Nr 1 PpUGV 2021 verstößt gegen Art 3 Abs 1 GG.
4. Die Feststellungen des InEK lassen rechtswidrig unberücksichtigt, dass im Krankenhaus der Klägerin ein im Vergleich mit anderen Fachabteilungen der Neurologie atypischer Sachverhalt im Hinblick auf die Krankheitsbilder, den Versorgungsbedarf und das Behandlungsgeschehen vorliegt, der auf dem besonderen Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin beruht. Es handelt sich insoweit auch um eine tatsächlich erhebliche Ungleichheit, die gemessen am Gerechtigkeitsgedanken die Setzung einer differenzierten Rechtsfolge verlangt.
5. Zur besonderen Bedeutung des Kriteriums der Indikatoren-DRG (§ 3 Abs 2 Nr 2 PpUGV 2021) bei Ausweisung pflegesensitiver Bereiche.
6. Die Zuordnung pflegesensitiver Bereiche allein auf Basis der Bezeichnung einer Fachabteilung muss schlicht als unsachlich bezeichnet werden. Vielmehr muss das dort anzutreffende Patientenklientel nach Indikation, fachlicher Zuordnung oder Behandlungsschwere Berücksichtigung finden.
Tenor
1. Die Bescheide der Beklagten vom 12.11.2020 und vom 06.05.2021, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2021, werden aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten des Rechtsstreits streiten über die Rechtmäßigkeit der Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus der Klägerin basierend auf der Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung - PpUGV) für das Jahr 2021.
Die Klägerin ist Rechtsträgerin der „R.-K.“ in B. Bei dem Krankenhaus handelt es sich um ein Plankrankenhaus, welches zuletzt durch krankenhausplanerischen Feststellungsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe unter dem Datum vom 31.01.2011 in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen worden ist. Krankenhausplanerisch anerkannte Fachgebiete des Krankenhauses sind die Chirurgie sowie die Neurologie. Die in dem krankenhausplanerischen Feststellungsbescheid anerkannten bedarfsgerechten Betten und Plätze werden mit einer Anzahl von 70 angegeben. Ausweislich des krankenhausplanerischen Feststellungsbescheides kommt dem Krankenhaus ein besonderer Versorgungsauftrag zu. In den krankenhausplanerischen Festlegungen zum Fachgebiet Chirurgie wird der Versorgungsauftrag eingeschränkt auf konservative Behandlungen im Bereich der Facharztkompetenz Orthopädie und Unfallchirurgie.
Das beklagte Institut wurde von den Vertragsparteien auf Bundesebene in der privatrechtlichen Rechtsform der GmbH gegründet. Die Beklagte nimmt insbesondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Einführung, Weiterentwicklung und Pflege des neuen Vergütungssystems, zwischenzeitlich aber auch darüberhinausgehende Aufgaben, etwa - wie hier - im Bereich der Pflegepersonaluntergrenzen wahr.
Mit Bescheid vom 12.11.2020 stellte die Beklagte auf Grundlage der PpUGV-2021 einen pflegesensitiven Bereich im Krankenhaus der Klägerin im Fachgebiet der Neurologie für das Kalenderjahr 2021 fest. Die Feststellung beruhte ausschließlich auf der Angabe des Fachabteilungsschlüssels der Neurologie...