Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Privatdarlehen. Rückzahlungspflicht und Wirksamkeit der Darlehensabrede. Fremdvergleich
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung von Einkommen und Darlehen beim Bezug von laufenden Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB 2, Anforderungen an eine ernstliche Darlehensabrede unter Freundinnen.
Orientierungssatz
1. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 dar, auch wenn es als "bereites Mittel" zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnte (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R = BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30).
2. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen einkommensgleicher Unterhaltsunterstützung oder Schenkung und eines Darlehens mit Rückzahlungspflicht ist, ob ein Darlehensvertrag gem § 488 BGB zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist.
3. Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist, können die Kriterien des sog Fremdvergleichs (vgl BFH vom 4.6.1991 - IX R 150/85 = BFHE 165, 53) herangezogen werden. Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten kann als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist. Demgegenüber spricht es gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert dargelegt werden oder ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sowohl die Gestaltung (zB Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten) als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkte dem zwischen Fremden - insbesondere mit einem Kreditinstitut - Üblichen zu entsprechen hat.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung ihr gewährter laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Erstattungszeitraum von Mai 2010 bis Juli 2010.
Die 1949 geborene Klägerin bezog von dem beklagten Grundsicherungsträger antragsgemäß laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zuletzt in Höhe von 955,32 € monatlich (Bescheid vom 20. Oktober 2010).
Bereits unter dem 18. Oktober 2010 hatte der Beklagte die Klägerin aufgefordert, ihre Kontoauszüge ab Mai 2010 mit einer Aufstellung über zugeflossener Einnahmen bis zum spätestens 04. November 2010 vorzulegen. In den von der Klägerin daraufhin am 26. Oktober 2010 vorgelegten Kontoauszügen (Konto Stadtsparkasse ... Nr. ...) fanden sich mit der Erläuterung “sonstige Buchung„ folgende Zahlungseingänge: 14. Mai 2010 1.000,00 €, 17. Juni 2010 1.500,00 € und 27. Juli 2010 1.300,00 €. Dies nahm der Beklagte zum Anlass, die Klägerin unter dem 24. November 2011 unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflichten und die Folgen einer Verletzung derselben aufzufordern, schriftliche Nachweise für die drei Zahlungseingänge zum 14. Mai, 17. Juni und 27. Juli 2010 vorzulegen und diese zu erläutern. Diese Aufforderung wiederholte der Beklagte mit Schreiben vom 27. April 2011. Durch ihre Bevollmächtigte ließ die Klägerin sodann unter dem 10. Juni 2011 erklären, dass es sich bei den auf ihrem Konto eingegangenen Zahlungen wieder um darlehensweise Zahlungen von Freundinnen handle. Schriftliche Bestätigungen der Freundinnen könnten erst vorgelegt werden, wenn diese sich wieder in Deutschland aufhielten.
Daraufhin hörte der Beklagte die Klägerin unter dem 30. Juni 2011 zur beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung der zu ihren Gunsten in den Monaten Mai bis Juli 2010 erbrachten laufenden Grundsicherungsleistungen an. Zur Begründung hieß es, die Klägerin habe zum fraglichen Zeitraum Einkommen in Höhe von 3.800,00 € erzielt; dementsprechend sei sie nicht bedürftig gewesen. Da sie während dieses Zeitraums Grundsicherungsleistungen in Höhe von 2.865,96 € erhalten habe, seien diese infolge zu Unrecht erfolgter Zahlung zurückzuerstatten. Gelegenheit zur Äußerung bestehe bis zum 18. Juli 2011.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. August 2011 hob der Beklagte sodann die der Klägerin bewilligten SGB II-Leistungen für den Zeitraum von Mai 2010 bis Juli 2010 ganz auf und forderte den Leistungsbetrag von 2.865,96 € von ihr zurück. Zur Begründung hieß es, die Klägerin habe geltend gemachte Darlehen in keiner Weise glaubhaft gemacht. Dementsprechend seien die vermeintlichen Darlehenszuschüsse auf dem Konto der Klägerin während des Erstattungszeitraums als Einkommen anzurechnen. Aufgrund der danach nachgewiesenen Einkommensverhältnisse sei die Klägerin im Erstattungszeitraum nicht hilfebedürftig gewesen. Dies sei für die Klägerin auch offensichtlich erkennbar gewesen. Dementsprechend sei die unverzügliche Anzeige der erlangten ...