Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten. Anforderungen an die Vergleichsraumbildung im Rahmen eines schlüssigen Konzepts zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen der Unterkunftskosten
Orientierungssatz
1. Allein anhand der Wohnungsgröße kann die Angemessenheit von Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht bestimmt werden. So sind Unterkunftskosten nur dann unangemessen, wenn der konkrete Mietzins das Produkt aus abstrakt angemessener Wohnungsgröße und abstrakt angemessenem Mietzins überschreitet.
2. Aus einem schlüssigen Konzept eines Trägers der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen für Unterkunftskosten können diese Angemessenheitsgrenzen nicht abgeleitet werden, wenn das Konzept diese nicht aus einem Vergleichsraum ableitet, der sich als homogener Lebens- und Wohnbereich mit räumlicher Nähe, Infrastruktur und auch verkehrstechnischer Verbundenheit darstellt. Das Vorhandensein dieser Eigenschaften für einen angenommenen Vergleichsraum muss im Konzept auch dargelegt werden.
3. Einzelfall zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bei Fehlen eines wirksamen schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers (hier: Angemessenheit teilweise verneint).
Tenor
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung ab 1. Dezember 2019 Kosten der Unterkunft bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zum Aktenzeichen S 3 AS 605/19 für die Zeit bis 31. Dezember 2019 in Höhe eines monatlichen Betrages von 386,00 € und für die Zeit ab 1. Januar 2020 in Höhe eines monatlichen Betrages von 419,00 € zu gewähren.
2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
3. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller ein Fünftel der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege eines einstweiligen Anordnungsverfahrens über die dem Antragsteller zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung.
Der Antragsteller, der bei dem Antragsgegner im laufenden Leistungsbezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende steht, bewohnt eine 87 m² große Mietwohnung in A-Stadt. Ausweislich der mit Bescheinigung vom 26. April 2019 beträgt die monatlich anfallende Grundmiete 580,00 €; Betriebskostenvorauszahlungen werden i.H.v. 85,00 € monatlich fällig. Diese Wohnung mietete der Antragsteller zum 1. April 2019, durch Mietvertrag vom 28. Januar 2019, an. Mit zwei Schreiben vom 9. Mai 2019 wurde der Antragsteller darüber informiert, dass die von ihm bewohnte Wohnung die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung überschreite. Der Antragsteller wurde zur Kostensenkung aufgefordert. Der Antragsgegner erklärte sich bereit, die tatsächlichen Unterkunftskosten einschließlich 30. November 2019 zu berücksichtigen und zum 1. Dezember 2019 eine Absenkung vorzunehmen. Weiterhin wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass Heizkosten lediglich für die angemessene Wohnfläche berücksichtigt werden könnten. Anhand des zum Zeitpunkt der Erstellung der Kostensenkungsaufforderung geltenden Heizspiegels ließe sich ableiten, dass für ihn die angemessenen Heizkosten bei 66,25 € monatlich lägen. Eine Absenkung auf den angemessenen Betrag erfolge ab 1. Dezember 2019.
Durch Bescheid vom 26. September 2019 bewilligte der Antragsgegner nunmehr für einen Bewilligungszeitraum von Dezember 2019 bis Mai 2020 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und hierbei einen Betrag von monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in abgesenkter Höhe (Kosten der Unterkunft, 348,00 €; Kosten der Heizung 66,25 € monatlich); unter dem 1. Oktober 2019 erging ein Änderungsbescheid.
Hiergegen richtete sich der am 2. Oktober 2019 erhobene Widerspruch zu dessen Begründung der Antragsteller ausführte, die Wohnung habe er seinerzeit angemietet, weil ein Räumungsrechtsstreit dies erforderlich gemacht hätte. Ein weiterer Wohnungswechsel sei ihm trotz intensiver Bemühungen nicht möglich gewesen. Es stünde kein freier Wohnraum zur Genüge zur Verfügung. Zumindest kein Wohnraum, der den sozialrechtlichen Vorgaben der Angemessenheit entspreche. Aufgrund seines Sozialleistungsbezuges bestünden Schwierigkeiten, nach Ansicht des Jobcenters angemessenen Wohnraum anzumieten. Eine Untervermietung seiner Wohnung komme aufgrund mietvertraglicher Beschränkungen nicht in Betracht. Er sei ständig und überall auf Wohnungssuche, allerdings vergebens.
Durch Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2019 wies der Antragsgegner den Widerspruch mit ausführlicher Begründung, auf die insoweit Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen richtet sich die am 12. November 2019 zum Sozialgericht Kassel zum Aktenzeichen S 3 AS 605/19 erhobene Klage und der am gleichen Tag gestellte Antrag auf Erlass einer ein...