Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. einmalige kommunale Zuwendung. Einwohner-Energie-Geld (EEG) der Stadt Kassel zur Abmilderung finanzieller Belastungen durch gestiegene Kosten der Energieversorgung während des Winterhalbjahres 2022/2023. keine Privilegierung nach § 11a Abs 3 S 1 SGB 2 oder § 11a Abs 5 SGB 2
Orientierungssatz
Zur Berücksichtigung des von der Stadt Kassel an alle Einwohner einmalig geleisteten Einwohner-Energie-Geldes (EEG) zur Abmilderung finanzieller Belastungen durch gestiegene Kosten der Energieversorgung während des Winterhalbjahres 2022/2023 als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 S 1 SGB 2.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Berücksichtigung des sog. Einwohner-Energie-Geldes der Stadt Kassel bei der Berechnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat November 2022.
Die 1997 geborene Klägerin zu 1. sowie ihre vier minderjährigen Kinder, die Kläger zu 2. bis 5., leben zusammen mit ihrem Lebensgefährten bzw. Vater in einer Bedarfsgemeinschaft und beziehen laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten. Auf den für die Bedarfsgemeinschaft gestellten Weiterbewilligungsantrag vom 11.03.2022 hin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 21.03.2022, zuletzt in der Änderungsfassung vom 06.09.2022, für den Zeitraum Mai 2022 bis April 2023 monatliche Leistungen nach dem SGB II.
In ihrer 14. Sitzung vom 18.07.2022 hatte die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel das Programm „Kopf hoch, Kassel! - Einwohner-Energie-Geld (EEG)“ zur Gewährung einer einmaligen finanziellen Zuwendung beschlossen, um die finanziellen Belastungen durch gestiegene Kosten der Energieversorgung für die Kasseler Einwohnerinnen und Einwohnern mit alleinigem Wohnsitz oder Hauptwohnsitz im Stadtgebiet abzumildern. Für die finanziellen Zuwendungen wurden insgesamt 15,4 Mio. € im städtischen Haushalt 2022 zur Verfügung gestellt. Der Magistrat der Stadt Kassel wurde im Beschluss zur Umsetzung dieses finanziellen Unterstützungsprogramms ermächtigt. In Umsetzung des Beschlusses wurden am 30.09.2022 entsprechende Förderrichtlinien erlassen.
§ 1 der Förderrichtlinien lautet:
(1) Die Stadt Kassel gewährt allen Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Kassel bei Vorliegen der in § 2 dieser Förderrichtlinien genannten Voraussetzungen eine einmalige nicht rückzahlbare Zuwendung in Höhe von 75,- Euro. Die Zuwendung dient der Abmilderung finanzieller Belastungen durch gestiegene Kosten der Energieversorgung während des Winterhalbjahres 2022/2023.
(2) Ein Rechtsanspruch auf finanzielle Förderung besteht nicht. Der Magistrat der Stadt Kassel entscheidet über die Gewährung einer Zuwendung nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.
§ 2 der Förderrichtlinien lautet:
(1) Antragsberechtigt sind alle Einwohnerinnen und Einwohner Kassels, die innerhalb der Zeit zwischen dem 1. Oktober 2022 und dem 31. März 2023 mit alleiniger Wohnung oder Hauptwohnung in Kassel gemeldet gewesen sind.
(2) Eine unberechtigte Inanspruchnahme der Zuwendung verpflichtet zu deren Rückerstattung.
§ 3 Absätze 6 und 7 der Förderrichtlinien lauten:
(6) Die Entscheidung über die Bewilligung der Zuwendung erfolgt durch den Magistrat der Stadt Kassel mittels Verwaltungsakt.
(7) Die Zuwendung gilt mit der Auszahlung als zweckentsprechend verwendet.
Auf den übrigen Inhalt der Förderrichtlinien wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen.
Den Klägern floss am 15.10.2022 jeweils das Einwohner-Energie-Geld der Stadt Kassel in Höhe von 75,00 € zu. Auch in den hierzu ergangenen Zuwendungsbescheiden der Stadt Kassel wurde als Zweckbestimmung angegeben, der Zuschuss diene der Abmilderung finanzieller Belastungen durch gestiegene Kosten der Energieversorgung während des Winterhalbjahres 2022/2023. Der Zuschuss gelte mit der Auszahlung als zweckentsprechend verwendet. Auf den übrigen Inhalt dieser Schreiben wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen.
Vor diesem Hintergrund hob der Beklagte nach erfolgter Anhörung mit Bescheid vom 15.12.2022 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Monat November 2022 teilweise auf. Insgesamt sei der Bedarfsgemeinschaft ein Einwohner-Energie-Geld in Höhe von 375,00 € zugeflossen, daher seien (bereinigt um Absetzungsbeträge) 345,00 € als einmalige Einnahme anzurechnen. Hieraus resultiere eine geringere Hilfebedürftigkeit der Kläger. Zugleich verlangte der Beklagte eine Erstattung seitens der Kläger in Höhe der jeweiligen Aufhebungssumme, insgesamt in Höhe von 331,04 € (13,95 € + 79,80 € + 79,80 € + 79,04 € + 78,45 €).
Hiergegen legten die Kläger unter dem 22.12.2022 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, bei der Zahlung des Einwohner-Energie-Geldes handele es sich...