Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. keine Einkommensberücksichtigung. Darlehensvertrag mit Rückzahlungspflicht. Nachweis der Wirksamkeit. besondere Vertragskonstellation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die als Darlehen mit einer zivilrechtlich wirksamen Rückzahlungsverpflichtung belastet sind, sind nach der Rechtsprechung des BSG nicht als Einkommen iS des § 11 SGB 2 zu berücksichtigen.

2. Aus dieser Rechtsprechung des BSG kann nicht abgeleitet werden, dass eine Einkommensanrechnung nur dann zu unterbleiben hat, wenn ein "reiner" Darlehensvertrag iS des § 488 BGB nachgewiesen wird.

3. Es ist vielmehr bei besonderen Vertragskonstellationen geboten, im Einzelfall anhand der vom BSG entwickelten Kriterien zu überprüfen, ob die zugeflossenen Geldmittel bei wirtschaftlicher Betrachtung wertmäßig als Einkommen zu behandeln sind.

 

Orientierungssatz

Vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R = BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30.

 

Tenor

Der Bescheid vom 21.04.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.05.2009 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2009 bis 31.07.2009 ohne die Anrechnung von Einkommen aus den Verträgen mit der Firma X. zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Leistungsanspruchs des Klägers im Bewilligungsabschnitt vom 19.01.2009 bis 31.07.2009 und hierbei konkret über die von der Beklagten durchgeführte Einkommensanrechnung ab Februar 2009.

Der 1985 geborene Kläger stellte am 19.01.2009 einen Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II (Bl. 296 Verwaltungsakte).

Mit Schriftsatz vom 02.02.2009 forderte die Beklagte den Kläger zur Übersendung verschiedener Unterlagen auf (Bl. 305 Verwaltungsakte). Der Kläger legte daraufhin die ausgefüllte “Anlage HG zur Feststellung des Umfangs der Hilfebedürftigkeit bei Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft„ vor (Bl. 307 Verwaltungsakte). Mit Schriftsatz vom 25.02.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass noch nicht alle Unterlagen vorliegen würden (Bl. 317 Verwaltungsakte).

Hierauf erwiderte der Kläger zu seiner aktuellen Lebenslage, dass er vom 17.11.2008 bis 05.12.2008 ein Praktikum absolviert habe und dass man ihn dort auf Grund mangelnder Aufträge nicht habe weiterbeschäftigen können. Da er nach diesem Praktikum keine SGB II-Leistungen erhalten habe, sei er wieder von seinen Eltern und seinem Bruder in die Dreizimmerwohnung aufgenommen worden, wo er sich sehr beengt fühle. Er habe daraufhin einen Kredit über mehr als 1400,00 € aufgenommen (Bl. 320 Verwaltungsakte).

Diesem Schriftsatz beigefügt war ein Kontoauszug über ein Konto des Klägers mit einem Saldo von 3,26 €, welcher u.a. einen Zahlungseingang der Firma X. am 28.01.2009 in Höhe von 1425,01 € enthielt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kontoauszug Bezug genommen (Bl. 322 Verwaltungsakte).

Weiterhin waren dem Schriftsatz vier Antwortschreiben über abgeschlossene Handyverträge mit der Firma Y. vom 22.09.2008 beigefügt, auf die Bezug genommen wird. Die Handyverträge sind mit einer Grundgebühr von jeweils 14,95 € verbunden (Bl. 324 ff. Verwaltungsakte).

Mit Schriftsatz vom 20.03.2009 bat die Beklagte den Kläger um Übersendung von Nachweisen über den abgeschlossenen Kreditvertrag (Bl. 337 Verwaltungsakte).

Mit Schriftsatz vom 07.04.2009 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass es sich bei den eingegangenen 1425,01 € bei wirtschaftlicher Betrachtung um ein Darlehen handele (Bl. 338 f. Verwaltungsakte). Die Firma X biete auf der Internetseite “www.X..de„ die Auszahlung größerer Geldbeträge bei gleichzeitigem Abschluss mehrerer Mobilfunk-Verträge an. Der Kunde verpflichte sich zum Abschluss mehrerer Handyverträge und erhalte im Gegenzug die für alle vier Mobilfunkverträge anfallenden Grundgebühren für den Zeitraum von zwei Jahren im Voraus ausgezahlt. Für den vertraglich vorgesehenen Mindestzeitraum von zwei Jahren muss der Kunde mindestens diese Grundgebühren zurückzahlen. Effektiv müsse er, um nicht vertragsbrüchig zu werden, also die an ihn ausgezahlten 1425,01 € an den Mobilfunk-Vertragspartner wieder zurückzahlen. Diese - zugegebenermaßen - ungewöhnliche Vertragsgestaltung habe für das Unternehmen folgende Vorteile:

- Die Firma X. erhalte eine Provision dafür, dass sie einen Kunden zum Abschluss von vier Handyverträgen bewegt habe. Der Mobilfunkanbieter und die X. würden sich vermutlich intern darüber verständigt haben, dass dem Vertragspartner die über den Zeitraum von zwei Jahren hinweg anfallenden Grundgebühren vorab als Darlehen ausgezahlt werden; schließlich bekomme man das Geld zurückgezahlt.

- Der Vorteil des Mobilfunkanbieters in dieser Vertragsgestaltung liege darin, dass man die begründete Erwartung habe, über einen oder mehrere abgeschlossene Mobilfunkverträge auch Gebühreneinnahmen zu erhalten.

Ein schriftlicher Darlehensvertrag liege dem Kläger jedoch...

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