Nachgehend

BSG (Beschluss vom 26.04.2022; Aktenzeichen B 9 V 39/21 B)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Absenkung des bei ihr festgestellten Grades der Schädigungsfolgen (GdS). Die 1969 geborene Klägerin wurde von ihrem 7. bis zu ihrem 14. Lebensjahr wiederholt Opfer sexuellen Missbrauchs durch ihren Großvater.

Am 14.03.2012 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG). Infolge des sexuellen Missbrauchs leide sie unter seelischen und gynäkologischen Gesundheitsschäden, Rückenbeschwerden und seit ihrer Kindheit unter Darmbeschwerden beim Toilettengang. Insgesamt bestünde bei ihr eine psychische Störung und ihre alltägliche Lebensqualität vom Essen bis Zwischenmenschliches sei beeinträchtigt. In einer Anlage zu Ihrem Antrag beschrieb die Klägerin ausführlich den Missbrauch durch ihren Großvater und führte in einem ergänzenden Schreiben vom 09.03.2011 zu den durch den Missbrauch bedingten Beeinträchtigungen aus. In Schreiben vom 07.03.2012, 14.03.2012 und 11.03.2012 berichteten der Vater der Klägerin, Herr D., und der zweite Ehemann der Klägerin, Herr C. A., ausführlich. Zur Vorlage kam ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin, Dr. E. vom 12.04.2012 aus einem beim Sozialgericht Kassel anhängigen Rentenverfahren (Az. S 8 R 435/10) und ein Änderungsantrag der Klägerin nach dem Schwerbehindertenrecht vom 23.06.1999 nebst entsprechender medizinischer Unterlagen (Bl. 81 bis 90 der Verwaltungsakte).

Der Beklagte gelang am 27.05.2014 (Bl. 99 der Verwaltungsakte) zu der Auffassung, dass die Klägerin von ihrem 7. bis 14. Lebensjahr von ihrem Großvater regelmäßig sexuell missbraucht worden sei. Direkte Zeugen gäbe es zwar keine. Die Großeltern seien zwischenzeitlich verstorben. Die Schreiben des Vaters und des Ehemannes könnten nicht zur Sachaufklärung beitragen, da diese von den Taten nur durch die Klägerin erfahren hätten. Eine Tante der Klägerin sei angeschrieben worden als mögliche Zeugin, habe aber nicht geantwortet. Die Klägerin, deren Angaben glaubhaft erschienen, habe aber am 27.05.2014 bei ihrer persönlichen Vorsprache eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, so dass den Vorschriften des § 15 KOVVfg damit genüge getan sei. Der Beklagte zog einen Bericht des Ergotherapeuten F. vom 18.06.2014 (Bl. 104 der Verwaltungsakte) bei sowie die Unterlagen der W...-Klinik ..., wo sich die Klägerin vom 10.08.2012 bis 24.08.2012 zu einer Reha-Maßnahme aufgehalten hatte (Bl. 107 bis 126 der Verwaltungsakte). Sodann veranlasste der Beklagte ein Gutachten bei dem Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. G., vom 17.09.2014 (Bl. 139 bis 151 der Verwaltungsakte). Prof. G. gelang in seinem Gutachten zu der Auffassung, dass bei der Klägerin eine Traumafolgestörung verursacht durch den sexuellen Missbrauch durch einen Familienangehörigen zwischen dem 7. und 14. Lebensjahr bestehe. Dieser sei auch die alleinige Ursache für das Entstehen der Trauma-Folgestörung. Es hätten sich keine begutachtungsrelevanten Mitursachen ergeben. Vor dem sexuellen Missbrauch habe es keine psychischen Vorerkrankungen mit Einfluss auf das Schadensereignis gegeben, nachträglich seien keine schädigungsunabhängigen Faktoren von Einfluss auf die Traumafolgestörung eingetreten. Prof. G. schlug vor, die Traumafolgestörung, der Klägerin ab der Antragstellung im März 2012 mit einem GDS von 30 zu bewerten. In der Untersuchung vom 11.09.2014 hatte die Klägerin über Probleme mit männlichen Personen, namentlich wenn diese sich im fortgeschrittenen Alter befänden und von Statur und Gestik oder Stimme dem inzwischen verstorbenen Großvater entsprächen, berichtet. Erinnerungsbilder träten einmal pro Woche an bestimmte Szenen mit dem Großvater auf, ähnliche Erscheinungen könnten auch nachts in Wachphasen auftreten, ferner sei ab dem 6. Lebensjahr eine Dunkelangst und Angst in engen Räumen aufgetreten. Um das 16. Lebensjahr habe die Klägerin eine Höhenangst entwickelt und Ängste vor dem Alleinsein, der Anblick von Pferden, die seinerzeit auf dem Reiterhof des Großvaters immer präsent gewesen seien, könnten Flashbacks hervorrufen. Es bestehe eine Abneigung gegen Körperkontakt und Geschlechtsverkehr, der deshalb nur zwei- bis dreimal im Jahr stattfinde. Es sei weiterhin über eine täglich auftretende Ein- und Durchschlafstörung seit der Kindheit berichtet worden. Außerdem bestehe eine übermäßige Schreckhaftigkeit. Prof. G. führte aus, dass die Prognose unter Fortsetzung der gegenwärtigen Therapie günstig erscheine, was bedeute, dass die zur Zeit noch vorhandene wesentliche Beeinträchtigung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit besserungsfähig erscheine.

Mit Bescheid vom 09.10.2014 (Bl. 156 f. der Verwaltungsakte) stellte der Beklagte fest, dass bei der Klägerin...

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