Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf für Alleinerziehende. Abwechslung getrennt lebender Eltern bei der Kinderbetreuung und -erziehung. Intervalle von mindestens einer Woche. hälftiger Mehrbedarf
Leitsatz (amtlich)
1. Besondere Lebensumstände, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R = BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 und vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R = BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2) die Zuerkennung eines hälftigen Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung rechtfertigen, liegen vor, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen minderjährigen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen.
2. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG lässt sich kein Anspruch ableiten, einen Mehrbedarf für Alleinerziehende auf andere Konstellationen eines sog Wechselmodells mit kürzeren Intervallen auszudehnen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt einen Mehraufwand für Alleinerziehende im Zeitraum vom 01.06.2012 bis 30.11.2012.
Die Klägerin stellte am 17.04.2012 einen Antrag auf Weiterbewilligung von SGB II-Leistungen. In dem Antragsformular gab die Klägerin an, dass ihre am 1994 geborene Tochter vier Tage in der Woche bei ihr übernachte (Bl. 736 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 03.05.2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.06.2012 bis 30.11.2012 Leistungen nach dem SGB II bestehend aus Regelleistung und Kosten für Unterkunft und Heizung (Bl. 742 Verwaltungsakte).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 25.05.2012 Widerspruch ein (Bl. 743 Verwaltungsakte). Es sei zu berücksichtigen, dass das Kind der Klägerin von der Klägerin im Rahmen einer temporären Bedarfsgemeinschaft betreut werde. Die Betreuung durch den Kindsvater und die Klägerin erfolge abwechselnd zu je 50 %. Dies erfolge nach folgendem Betreuungsrhythmus:
Montag Besuch der Schule und Verbleib bei der Mutter.
Dienstag von der Mutter zur Schule und sodann zum Vater.
Mittwoch vom Vater zur Schule und sodann wiederum zum Vater.
Donnerstag vom Vater zur Schule und sodann zur Mutter.
Samstag bei der Mutter.
Sonntag bei der Mutter.
Montag von der Mutter zur Schule und sodann zum Vater.
Dienstag vom Vater zur Schule und wiederum zum Vater.
Mittwoch vom Vater zur Schule und sodann zur Mutter.
Donnerstag von der Mutter zur Schule und sodann zum Vater.
Freitag vom Vater zur Schule und sodann zur Mutter und am späten Abend zum Vater.
Samstag beim Vater
Sonntag beim Vater.
Sodann beginne der Rhythmus von vorn. Hieraus werde deutlich, dass das Kind zu je 50 % von den Eltern betreut werde, so dass eine temporäre Bedarfsgemeinschaft vorliege. Die Klägerin habe vor diesem Hintergrund nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Auch mache die Klägerin für ihre Tochter einen anteiligen Betrag an der Regelleistung geltend (Bl. 744 f. Verwaltungsakte).
Der Beklagte forderte die Klägerin zur Übersendung einer Bestätigung über die Betreuungsmodalitäten durch den Kindsvater auf (Bl. 750 Verwaltungsakte).
Mit Schriftsatz vom 30.06.2012 bestätigte der Kindsvater, Herr A., die Angaben der Klägerin. Auf das Bestätigungsschreiben wird Bezug genommen (Bl. 753 Verwaltungsakte).
Mit Abhilfebescheid vom 09.08.2012 hob der Beklagte den Bescheid vom 03.05.2012 auf. Die Tochter der Klägerin werde temporär in die Bedarfsgemeinschaft aufgenommen. Es werde gebeten, weitere Einzelheiten den beigefügten Bescheiden zu entnehmen (Bl. 768 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 09.08.2012 nahm der Beklagte die Tochter der Klägerin für die Zeit vom 01.06.2012 bis 30.11.2012 in die Bedarfsgemeinschaft auf. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende wird mit dem Bescheid nicht gewährt. Auf den Bescheid wird Bezug genommen (Bl. 769 Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2012 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Das vorliegende Betreuungsmodell sehe einen fast täglich wechselnden Aufenthalt der Tochter der Klägerin vor. Gemäß dem Urteil des BSG vom 02.07.2009 (B 14 AS 54/08 R) komme eine Mehrbedarf für Alleinerziehende in Fällen, in denen geschiedene oder getrennt lebende Elternteile die Pflege und Erziehung der Kinder gemeinsam besorgen, nur dann in Betracht, wenn sich die Eltern in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die Kosten in etwa hälftig teilen. Vorliegend würden keine wöchentlichen Intervalle erreicht, sondern allenfalls 4 Tage umfassende Intervalle. Auf Grund der Zielsetzung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende entstehe in diesem Fall kein Mehrbedarf für Alleinerziehende (Bl. 771 Verwaltungsakte).
Am 12.09.2012 hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 03.05.2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 09....