Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Versicherten auf Erstattung von Fahrkosten für den Weg zum Arbeitsplatz für die Zeit der stufenlosen Wiedereingliederung gegen die Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Der Anspruch des Versicherten auf Erstattung von Fahrkosten für den Weg zum Arbeitsplatz bei dessen stufenloser Wiedereingliederung gegen die Krankenkasse ist Teil der medizinischen Rehabilitation des Versicherten. Er ergibt sich nicht aus den Vorschriften des SGB 5, sondern des SGB 9.
2. Zu den Reisekosten nach §§ 44 Abs. 1 Nr. 5, 53 Abs. 4 SGB 9 als ergänzende Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zählen u. a. Fahrkosten.
3. Bei der stufenweisen Wiedereingliederung handelt es sich um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation. Diese ist einheitlich für alle Leistungsträger in § 28 SGB 9 geregelt.
4. Das SGB 5 enthält insoweit keine von den §§ 26 ff. SGB 9 abweichenden Vorschriften.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2015 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die während der stufenlosen Wiedereingliederung im Zeitraum 2. Dezember 2014 bis zum 26. Januar 2015 entstandenen Fahrkosten in Höhe von 1.369, 60 Euro zu erstatten.
2. Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Fahrkosten für den Weg zum Arbeitsplatz für die Zeit der stufenlosen Wiedereingliederung.
Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie ist in ... im Kreis Plön wohnhaft. Beschäftigt ist sie ... in Hamburg. Die einfache Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte beträgt ... km.
Nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit und einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation führte die Klägerin im Zeitraum 02. Dezember 2014 bis 26. Januar 2015 eine stufenweise Wiedereingliederung durch. Während dieser Zeit legte die Klägerin die Strecke von ihrer Wohnung zum Arbeitsplatz mit dem eigenen Pkw zurück. Kostenträgerin der Wiedereingliederungsmaßnahme war die Beklagte.
Mit am 09. Dezember 2014 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin die Gewährung eines Fahrkostenzuschusses während der Wiedereingliederungsmaßnahme. Sie sei auf den Zuschuss angewiesen, da sie aufgrund der langjährigen Erkrankung in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Dezember 2014 mit der Begründung ab, Fahrkosten könnten grundsätzlich nur für Fahrten zur ambulanten oder stationären Behandlung erbracht werden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 14. Januar 2015 Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend, nach § 44 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 53 SGB IX sei die Beklagte verpflichtet, ihr einen Fahrtkostenzuschuss als ergänzende Leistung zu gewähren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach dem Leistungsrecht des SGB V stehe der Klägerin ein Anspruch auf Fahrkostenübernahme nicht zu. Die Voraussetzungen der soweit maßgeblichen Rechtsvorschriften der §§ 60, 92 Abs. 1 SGB V und § 8 Krankentransportrichtlinien seien nicht erfüllt.
Daraufhin hat die Klägerin am 18. August 2015 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben. Sie ist der Auffassung, bei der stufenweisen Wiedereingliederung handele es sich um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation, für die grundsätzlich eine Fahrkostenerstattung in entsprechender Anwendung des Bundesreisekostengesetzes in Betracht komme.
Die Klägerin beantragt.
den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die während der stufenweisen Wiedereingliederung im Zeitraum 02. Dezember 2014 bis zum 26. Januar 2015 entstandenen Fahrkosten in Höhe von 1.369, 60 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die den Rechtsstreit betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten haben der Kammer vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2015 hält einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Er ist rechtswidrig.
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches ergibt. Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf die Erstattung von Fahrkostengegen die Beklagte aus den Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX).
Gemäß §§ 44 Abs. 1 Nr. 5, 53 Abs. 4 SGB IX besteht ein Anspruch auf Reisekosten als ergänzende Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Zu den Reisekosten zählen die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Fahr-,...