Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung des Arbeitslosengeld II. verspätete Feststellung durch Sanktionsbescheid

 

Orientierungssatz

Der "Sanktionsbescheid", der Absenkung und Wegfall des Arbeitslosengeld II iS des § 31 Abs 6 S 1 SGB 2 feststellt, muss innerhalb von drei Monaten nach erfolgtem Fehlverhalten ergehen.

 

Gründe

Der am 19.05.2009 gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22.03.2009 gegen den Bescheid vom 02.03.2009 wieder herzustellen, ist nach Umdeutung in einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erfolgreich.

I. Der Antragsteller unterzeichnete im Juli 2008 eine Eingliederungsvereinbarung mit der Antragsgegnerin, mit der er sich zur Teilnahme an der Maßnahme "Perspektive 50+-Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen" verpflichtete.

Die am 14.07.2008 begonnene Maßnahme brach der Antragsteller am 04.11.2008 ab. Zur Begründung verwies er auf ein Internettagebuch, in dem er seine Einschätzung über die Maßnahme geschildert hatte. Zusammengefasst dargestellt brach der Antragsteller die Maßnahme ab, weil er von der Inkompetenz der AWO Arbeit gGmbH als Maßnahmeträger überzeugt sei. Während er selbst mit gestellten EDV-technischen Aufgaben eher unterfordert gewesen sei, sei die Mehrzahl der anderen Teilnehmer damit überfordert gewesen. Der Umgangston der Mitarbeiter der AWO, der bei einigen Mitarbeitern aufgesetzt fröhlich, bei anderen Mitarbeitern dagegen eher maßregelnd gewirkt habe, habe ihm nicht gefallen. Hinweise und Tipps der Dozenten zu seinen Bewerbungsunterlagen empfand er als Angriffe auf seine individuelle Ausdrucksart. Die versuchte Vermittlung in Praktika lehnte der Antragsteller ab, sofern nicht von vorne herein die Zusicherung einer Festanstellung vorliege. Die Vermittlung in ein Praktikum als Kassierer einer Tankstelle lehnte der Antragsteller ab, weil eine solche Tätigkeit nicht seiner Qualifikation entspreche. Obwohl ihm versprochen worden sei, dass es sich bei der Maßnahme nicht um ein klassisches Bewerbungstraining handeln soll, sondern um intensive vermittlerische Tätigkeiten des Maßnahmeträgers, hätten die Merkmale eines klassischen Bewerbungstrainings in den Monaten Juli bis Oktober 2008 überwiegt. Des Weiteren schilderte der Antragsteller unzumutbare räumliche Bedingungen.

Nach dem Abbruch der Maßnahme durch den Antragsteller holte die Antragsgegnerin eine Stellung des Maßnahmeträgers ein, die am 15.12.2008 bei der Antragsgegnerin einging. Außerdem hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller an, dessen Stellungnahme am 17.12.2008 bei der Antragsgegnerin einging. Mit Bescheid vom 02.03.2009 senkte die Antragsgegnerin die Grundsicherungsleistungen des Antragstellers für den Zeitraum 01.04.2009 bis 30.06.2009 monatlich um 30% seiner Regelleistung, d. h. um 95,00 , ab. Dagegen legte der Antragsteller fristgerecht Widerspruch ein und trägt ergänzend vor, die Sanktion sei erst vier Monate nach Maßnahmeabbruch und damit zu spät erfolgt.

II. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag, in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung, ob die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung auszusprechen ist, sind das private Suspensivinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegeneinander abzuwiegen. Bei dieser Interessenabwägung ist nach den Kriterien des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG vorzugehen; dies bedeutet, dass die Aussetzung der Vollziehung erfolgen soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn also der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.12.2004 - L 5 ER 95/04 KR, zitiert nach Juris).

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist der zulässige Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs begründet. Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse, weil der Sanktionsbescheid vom 02.03.2009 nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig ist.

Der am 22.03.2009 eingelegte Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 02.03.2009 hat gemäß § 39 Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), der eine sondergesetzliche Bestimmung im Sinne von § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG darstellt, keine aufschiebende Wirkung. Bei der Entscheidung über die Absenkung von Leistungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet, weil unmittelbar der Leistungsanspruch des Antragstellers betroffen ist.

Vorliegend ist der Bescheid vom 02.03.2008 über die Absenkung der Grundsicherungsleistungen im Zeitraum 01.04.2009 bis 30.06.2009 aus formalen Gründen rechtswidrig, denn d...

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