Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialverwaltungsrecht: Zulässigkeit des Erlasses eines nachfolgenden Leistungsbescheides bei fehlender Bestandskraft eines vorausgehenden Bescheides nach Rechtsmitteleinlegung. aufschiebende Wirkung bei Klage gegen einen begünstigenden Verwaltungsakt
Orientierungssatz
1. Allein der Umstand, dass ein Sozialleistungsbescheid wegen der Einlegung von Rechtsmitteln noch nicht bestandskräftig war, hindert den Leistungsträger nicht am Erlass nachfolgender Leistungsbescheide. Insbesondere ist ein solcher nachfolgender Bescheid nicht nichtig.
2. Hat ein Leistungsempfänger gegen einen ihn begünstigenden Leistungsbescheid Klage erhoben, hat diese keine aufschiebende Wirkung, da eine solche nur bei belastenden Verwaltungsakten eintritt.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Rentenanpassung zum 01.03.2016.
Der Kläger bezieht seit August 2011 eine Regelaltersrente. Mit Bescheid vom 29.01.2016 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers mit Wirkung zum 01.03.2016 neu (monatliche Rente: 1175,24 Euro, Zahlbetrag: 1050,08 Euro). Die Neuberechnung sei notwendig, da sich ab März 2016 der Beitrag zur Krankenversicherung ändere. Aus der dem Bescheid beigefügten Anlage ergibt sich, dass - anders als zuvor - der Zusatzbeitrag des Rentners zur Krankenversicherung nicht mehr 0,8 Prozent sondern 1,0 Prozent beträgt und demzufolge 11,75 Euro als Beitragsanteil des Rentners (1 Prozent von 1175,24 Euro) veranschlagt werden.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 10.02.2016 erhobenen Klage. Er macht die Nichtigkeit des Bescheides vom 29.01.2016 geltend, wobei er zugleich vorträgt, gegen diesen Bescheid auch Widerspruch eingelegt zu haben. Da über die vorherigen Rentenbescheide gerichtlich noch nicht entschieden sei und die diesbezüglichen Klagen noch anhängig seien, könne es keinen "gültigen" nachfolgenden Rentenbescheid geben.
Die Beklagte entgegnet, entgegen der Behauptung des Klägers liege ihr bislang ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.01.2016 nicht vor. Mit diesem Bescheid sei im Übrigen lediglich die Änderung des Zusatzbeitrages zur Krankenversicherung umgesetzt worden, ohne dass die Rentenberechnung selbst verändert worden sei.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid vom 29.01.2016 wegen Nichtigkeit aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm einen neuen, rechtwirksamen Rentenbescheid zu erteilen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Kammer hat die Beteiligten mit Schreiben vom 10.02.2016 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Hiermit hat sich die Beklagte einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der im Parallelverfahren des Klägers beigezogenen Verwaltungsakte (Verfahren SG Köln, S 25 R 1555/15) der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) entscheiden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Bei verständiger Würdigung des Begehrens des Klägers (§ 123 SGG) macht dieser eine Nichtigkeitsfeststellungsklage auf Grundlage von § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG geltend. Ihm ist - wie seine Ausführungen im der Klageschrift zeigen - der Unterschied zwischen einer Nichtigkeitsfeststellungsklage und einer Anfechtungsklage bewusst und er hat sich in Ansehung dieser Unterschiede und aufgrund der ihm bekannten Erforderlichkeit eines Vorverfahrens, welches (noch) nicht durch einen Widerspruchsbescheid abgeschlossen ist, für das Rechtsschutzziel der Feststellungsklage des § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG entschieden.
Soweit der Kläger mit seinem Antrag gleichwohl die gerichtliche Aufhebung des Bescheides vom 29.01.2016 begehrt, ist der Antrag nicht statthaft, da mit der Nichtigkeitsfeststellungsklage schon begrifflich lediglich eine gerichtliche Feststellung betr. die Nichtigkeit, nicht aber die Aufhebung des in Rede stehende Verwaltungsaktes durch das Gericht erwirkt werden kann. Soweit der Kläger mit seinem Antrag konkludent statt der Aufhebung - zumindest - die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 29.01.2016 begehrt, ist der Antrag statthaft.
Dahingestellt bleiben kann, ob der Antrag mangels Feststellunginteresse unzulässig ist, da der Kläger - seinen Vortrag zugrundegelegt - fristgerecht Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.01.2016 erhoben hat, dieser Bescheid dann noch nicht bestandskräftig wäre und ihm nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens die rechtsschutzintensivere Möglichkeit einer Anfechtungs- und Leistungsklage offen stünde (vgl. insoweit zum fehlenden Feststellungsinteresse bei noch nicht bestandskräftigem Bescheid: Bayrisches LSG, Urteil vom 23.0...