Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Kostenübernahme für eine medizinische Behandlung. Anwendung der Genehmigungsfiktion wegen verspäteter Entscheidung über einen Kostenübernahmeantrag. Anforderungen an die Annahme einer wirksamen Begründung in einer Verzögerungsmitteilung
Orientierungssatz
1. Eine gesetzliche Krankenkasse kann nach Eingang eines Antrags auf Übernahme der Kosten einer medizinischen Behandlung (hier: Bodylift sowie Brust- und Thoraxstraffung nach erheblicher Gewichtsreduzierung) den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach Ablauf von längstens fünf Wochen bei einer nicht rechtzeitig möglichen Entscheidung nur durch eine zu begründende Mitteilung über die Nichteinhaltbarkeit der Frist verhindern. Dabei fehlt es auch dann an einer hinreichenden Begründung, wenn sich die gesetzlichen Krankenversicherung auf einen Grund beruft, der im Zeitpunkt der Mitteilung nicht oder jedenfalls nicht mehr besteht (hier: Fehlen von Unterlagen als Entscheidungsgrundlage).
2. Die Genehmigungsfiktion bei zeitlicher Verzögerung der Bearbeitung eines Antrags auf Übernahme der Kosten für eine medizinische Behandlung durch die gesetzliche Krankenversicherung wirkt im selben Maße wie eine Bewilligungsentscheidung und hat zur Folge, dass bei Eintritt der Fiktion der Anspruch durch die Krankenkasse ohne weitere Prüfung zu erfüllen ist.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 28.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2015 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für in der Zeit vom 14.11.2014 - 19.11.2014 selbstbeschaffte stationäre Krankenhausbehandlung (zirkuläre Dermofettresektion - modifiziertes Bodylift nach Lockwood sowie Brust- und laterale Thoraxstraffung beidseits) entstandene Kosten in Höhe von insgesamt 12.580,19 Euro zu erstatten und der Klägerin stationäre Oberschenkelrekonstruktion nach Aly als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte trägt die der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin entstandene Kosten für mehrere postbariatrische Wiederherstellungsoperationen zu erstatten und der Klägerin eine noch ausstehende postbariatrische Wiederherstellungsoperation als Sachleistung zu gewähren.
Die am 00.00.1989 geborene Klägerin beantragte am 26.06.2014 bei der Beklagten die Übernahme der Kosten von Wiederherstellungsoperationen nach massiver Gewichtsreduktion in Form einer zirkulären Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood), einer Brust- und lateralen Thoraxstraffung beidseits und einer Oberschenkelrekonstruktion nach Aly. Sie fügte eine ärztliche Bescheinigung des Dr. R. vom 22.05.2014 bei, auf deren Inhalt sie Bezug nahm. Mit Schreiben vom 27.06.2014 betätigte die Beklagte den Antragseingang. Zur Prüfung bat sie um Hergabe weiterer Informationen (eine Beschreibung der vorliegenden Beschwerden bzw. Einschränkungen, eine Beschreibung der bisher durchgeführten Therapien und eine Fotodokumentation von vorn und seitlich). Am 03.07.2014 legte die Klägerin eine Beschreibung der vorliegenden Beschwerden bzw. Einschränkungen, eine Beschreibung der bisher durchgeführten Therapien nebst Nachweisen und eine Fotodokumentation von vorn und seitlich vor. Am 06.07.2014 legte die Klägerin einen Nährstoffplan vor. Am 07.07.2014 erteilte die Beklagte dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einen Gutachtenauftrag. Mit Schreiben vom selben Tag informierte die Beklagte die Klägerin darüber, die Unterlagen an den MDK weitergeleitet zu haben. Unter dem 11.07.2014 teilte der MDK der Beklagten mit, dass zur Beurteilung noch Unterlagen (Krankenhausentlassungsbericht des Magenbypass 2013 und Behandlungen der letzten 6-12 Monate) fehlten und bat um zeitnahe Übermittlung des Verzögerungsgrundes an die Klägerin. Unter dem 15.07.2014 forderte die Beklagte die weiteren benötigten Unterlagen bei der Klägerin an. Das Schreiben hatte folgenden auszugsweisen Wortlaut:
“ […] vielen Dank, dass Sie uns Unterlagen für Ihren geplanten Bodylift, Ihre Brust- und laterale Thoraxstraffung und Ihrer Oberschenkelrekonstruktion im Dreifaltigkeits-Krankenhaus zugesandt haben.
Damit ich klären kann, ob wir die Kosten übernehmen, habe ich den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung beratend hinzugezogen. Die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte unterstützen uns mit ihrem medizinischen Fachwissen. Hierfür brauche ich jedoch weitere Informationen von Ihnen.
Bitte senden Sie mir deshalb bis zum 24. Juli 2014
- einen Krankenhausentlassungsbericht aus 2013
- die Behandlungen der letzten 6-12 Monate mit Angabe des Zeitpunktes und der Häufigkeit, insbesondere beim Hausarzt
zu. […]„
Am 23.07.2014 übermittelte die Klägerin eine Aufstellung der Behandlungen der letzten 6-12 Monate mit Angaben des Zeitpunktes und der Häufigkeit samt Nachweisen sowie einen Entlassungsbericht des Krankenhauses Sachsenhausen vom 19.01.2013.
Mit Schreiben vom 24.07.2014 führte die Beklagte gegenüber der Klägerin au...