Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung eines bei einer Versicherungsgesellschaft als Sachbearbeiter von Haftpflichtschäden tätigen Rechtsanwalts von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
Orientierungssatz
1. Zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 für einen bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber tätigen Rechtsanwalt müssen vier Kriterien kumulativ vorliegen: die rechtsberatende, rechtsentscheidende, rechtsgestaltende und rechtsvermittelnde Tätigkeit.
2. Alle diese vier berufsspezifischen Tätigkeitmerkmale eines Rechtsanwalts deckt der im Bereich Haftpflichtschaden bei einer Versicherungsgesellschaft tätige Anwalt ab.
3. Deckt der Anwalt auch das Tätigkeitsmerkmal der Rechtsvermittlung durch das Halten von Rechtsvorträgen im Rahmen von Tagungen bei der Versicherungsgesellschaft ab, so ist er nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung auf Antrag zu befreien.
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 28.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2011 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Bereich Haftpflicht-Schaden bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 01.06.2010 zu befreien. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zusteht.
Die 1977 geborene Klägerin ist Volljuristin und seit dem 01.11.2005 als zugelassene Rechts-anwältin Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer Köln und des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen (Beigeladene zu 2). Für ihre Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin erhielt die Klägerin von der Beklagten mit Bescheid vom 10.04.2006 die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab dem 14.10.2005.
Zum 01.06.2010 nahm die Klägerin ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der B AG in Köln (Beigeladene zu 1) auf. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 03.05.2010 erfolgte die Einstellung als Sachbearbeiterin im Bereich Haftpflicht-Schaden. Vorausgegangen ist der Einstellung der Klägerin eine Stellenanzeige. Darin suchte die Beigeladene zu 1) einen Volljuristen als Sachbearbeiter für Arzthaftpflichtschäden.
Am 21.06.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Versiche-rungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung rückwirkend ab dem 01.06.2010 für ihre Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1). Als Anlage fügte sie eine Stellen- und Funktionsbeschreibung ihres Arbeitgebers vom 07.06.2010 bei. Darin führte die Beigeladenen zu 1) aus, dass die Klägerin selbständig und eigenständig Arzthaftpflicht-Schäden bearbeite. Sie vertrete unter Beachtung der Interessen des Unternehmens die Interessen der Versicherungsnehmer, die anlässlich einer ärztlichen Tätigkeit von einem Patienten auf Schadenersatz in Anspruch genommen würden. Hierzu führe sie eigenständig die gesamte außergerichtliche Korrespondenz sowie die außergerichtlichen Verhandlungen hinsichtlich der Schadenabwicklung.
Von der Beklagten erbetene Unterlagen, wie etwa eine Fotokopie des Arbeitsvertrages reichte die Klägerin nicht ein. Mit Bescheid vom 15.10.2010 lehnte die Beklagte den Befreiungsantrag sodann ab. Eine vollständige Prüfung der Voraussetzungen habe nicht erfolgen können, da die Klägerin keine weiteren Unterlagen übersandt habe.
Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 15.11.2010 Widerspruch und reichte nachfolgend die von der Beklagten erbetenen Unterlagen nach. Die Klägerin sei bei der Beigeladenen zu 1) anwaltlich beschäftigt, da sie entsprechend der Stellenbeschreibung und dem Funktionsprofil einer berufsständischen Beschäftigung als Rechtsanwältin unter kumulativer Wahrnehmung der Aufgabenfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung nachgehe. Sie bearbeite selbständig und eigenverantwortlich ein eigenes Schadensdezernat im Haftpflichtschadenbereich Heilwesen in der Hauptverwaltung des Konzerns. Zu ihren Aufgaben gehöre es, die Deckungs- und Haftungslage zu analysieren, praxistaugliche Lösungswege und -möglichkeiten zu erarbeiten und den Versicherungsnehmer zu beraten. Dies setze zunächst die eigenständige Ermittlung des Sachverhalts und des Fehlervorwurfs voraus. Sodann würden der Deckungsschutz und haftungsrechtliche Gesichtspunkte überprüft. Sofern die Klägerin bei dieser Tätigkeit unklare Klauseln in den Versicherungsverträgen feststelle oder Lücken im Versicherungsschutz, nehme sie Kontakt mit den Betriebsabteilungen auf und schlage Änderungen vor. Im Rahmen der erteilten Vollmacht treffe die Klägerin eigenverantwortliche und verbindliche Regulierungsentscheidungen. Selbst ihre Vollmacht übersteigende Entscheidungen könne die Kl...